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Von der Erfolgsstory zum Korruptionsskandal: Minister Grasser mit Vertretern des siegreichen Konsortiums, Geyer (Städtische), Petrikovics (Immofinanz), Scharinger (Raiffeisen OÖ, von links).

Foto: APA/Artinger Günter

Wien - Der Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog) ist um ein Rätsel reicher. Nachdem die Transaktion seit längerem im Zentrum von Korruptionsermittlungen steht, bei denen neben zahlreichen anderen Personen auch Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser als Beschuldigter geführt wird, gibt es massive Kritik an der gesetzlichen Grundlage für den Verkauf der Buwog.

Das Buwog-Gesetz ging nämlich ohne Zustimmung des Bundesrats über die Bühne. Eine klare Verfassungswidrigkeit, urteilt Karl-Werner Fellner, ehemaliger Richter am Verwaltungsgerichtshof. Zwar gibt es bei der Verfügung von Bundesvermögen keine Mitwirkungsrechte der Länderkammer. Allerdings wurde in § 2 des Buwog-Gesetzes eine allgemeine Abgabenbefreiung im Zusammenhang mit der Transaktion festgelegt.

Relevant ist dabei insbesondere die Grunderwerbsteuer, die den Gemeinden zufließt. Da diese wegen der Befreiung um satte Aufkommen umfielen, war die Umgehung des Bundesrats nicht verfassungskonform, bestätigt Finanzrechtsexperte Werner Doralt. Suffisanter Nachsatz Fellners: "Dass dieses äußert sensible Bundesgesetz nicht verfassungsgemäß zustande gekommen ist, haben offensichtlich weder der Bundespräsident noch seine Kanzlei bemerkt." Zuständig war der verstorbene Thomas Klestil.

Die Abgabenbefreiung hat jedenfalls große Wirkung gehabt. Das erfolgreiche Konsortium rund um die Immofinanz ersparte sich allein an Grunderwerbsteuer rund 30 Millionen Euro. Derartige Befreiungen kommen zwar bei Privatisierungen gelegentlich vor, sind aber nicht die Regel, wie Fellner anhand mehrerer Beispiele nachweist. Stutzig macht zudem die breite Definition des Gesetzes: Es wurden nämlich "alle in Zusammenhang stehende Vorgänge" steuerfrei gestellt.

Diese Formulierung hat auch Walter Meischberger auf den Plan gebracht. Nachdem aufgeflogen war, dass der Lobbyist die Provisionen aus dem Verkauf nicht versteuert hatte, berief er sich glatt auf den Passus. Anders ausgedrückt: Meischberger pochte auf eine Steuerbefreiung seiner Honorare. Das ging der Finanz allerdings zu weit, die eine derart weitreichende Interpretation des Gesetzes zurückwiese. Und auf Nachzahlung besteht.Einen schalen Beigeschmack erhält die Regelung auch aus einem anderen Grund. Die Begünstigung stellt laut Fellner nämlich eine Beihilfe dar, die nach EU-Recht grundsätzlich verboten ist. Genehmigungsfähig wäre die Subvention nur, wenn sie allen Wirtschaftsteilnehmern zugutekommen würde. Was nicht der Fall ist, weil eben nur der Buwog-Käufer privilegiert wurde, während andere Immobilientransaktionen der Steuer unterliegen.

Schadenersatz möglich

Womit die Frage bleibt, welche Konsequenzen der offenkundige Pfusch hat. Relativ sicher sind sich Verfassungsjuristen, dass nur die Steuerbefreiung, nicht aber das ganze Buwog-Gesetz mit der Grundlage zur Privatisierung betroffen wäre. Beschwerde führen könnten als unmittelbar Betroffene nur Gemeinden und Länder. Selbst wenn diese beim Verfassungsgerichtshof erfolgreich wären, bleibt die Folge unklar. Einerseits wäre es denkbar, dass das Höchstgericht den Ländern Schadenersatz gewährt, wobei freilich auch Verjährungsfristen eine Rolle spielen, bei denen sich der VfGH an das Zivilrecht anlehnt.

Möglich wäre freilich auch, dass das verfassungswidrige Gesetz repariert werden muss. Einfacher ausgedrückt: Der Bundesrat müsste neun Jahre nach dem erfolgten Verkauf den Beschluss nachholen. Voraussetzung wäre, dass es überhaupt zu einem Verfahren kommt. Denn in Österreich gilt nach wie vor: Wo kein Kläger, da kein Richter. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 7.3.2012)