Wer die nordamerikanische GreenBuild-Messe kennt und mit diesen Eindrücken im Kopf zum ersten Mal zur Immobilienmesse MIPIM nach Cannes fährt, glaubt, an der Côte d'Azur in einem anderen Universum angelangt zu sein. Denn bei der Greenbuild, die vom US Green Building Council organisiert wird und heuer im November in San Francisco stattfindet, geht es dem Thema entsprechend nicht zuletzt darum, Nachhaltigkeit auch als Messeveranstaltung zu leben - was bei einer Ermäßigung für die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln anfängt und bei strengen Auflagen für Hotels endet, die als Messepartner mitmischen wollen.

In Cannes ist alles ganz anders und in jeder Hinsicht anachronistisch. Dort an der Croisette steppt der Bär (insbesondere der russische und der deutsche, um genau zu sein), dort wird mit sündteuren Jachten geprotzt und mit Helis vor hoffnungslos verstopften Straßen in die dritte Dimension ausgewichen. Der absurd schlecht geplante und de facto abbruchreife Palais des Festivals, der heuer saniert werden soll, mag ein Übriges dazu tun, dass sich hier kaum jemand - schon gar nicht die Messeveranstalter - um nachhaltiges Wirtschaften zu scheren scheint.

Das zeigt auch die traurige Tatsache, dass Philipp Kaufmann, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), heuer der einzige Vertreter des "grünen Bauens" in Cannes war - und zwar auf der gesamten Messe, nicht nur am Österreicher-Stand. Sogar die Deutschen, die heuer "Country of Honour" waren, hatten kein weiteres Mitglied des World Green Building Councils vor Ort.

Dennoch sind diese Zeilen alles andere als ein trauriger Abgesang auf ein überholtes System. Die MIPIM wird auch im nächsten Jahr genauso stattfinden und genauso ein Erfolg für die teilnehmenden Institutionen werden, eventuell in freundlicherer physischer Umgebung (falls die Sanierung des Palais eine Erfolgsgeschichte wird). Deshalb wäre es für einen Messeveranstalter eine aussichtsreiche Option, sich hier konträr zu positionieren.

Und mit dem Ende der Ostimmobilienmesse "Real Vienna", die erst vor wenigen Tagen endgültig zu Grabe getragen wurde, tut sich hier sogar vor unserer Haustür plötzlich eine großartige Möglichkeit auf: An ihre Stelle könnte eine neue Messe mit europaweitem Fokus treten, auf der über das Thema "Nachhaltiges Bauen" nicht nur geprotzt, sondern wo dieses auch gelebt wird. Das hieße auch, die Weiterentwicklung vom "green Building" zum "blue Building", von der Energieeffizienz zur gesamtheitlichen, am Lebenszyklus eines Gebäudes orientierten Nachhaltigkeit nachzuvollziehen. Et voilà: die "BlueBuild Vienna" wäre geboren. Eine Überlegung wäre es allemal wert. Nichts zu danken. (Martin Putschögl, derStandard.at, 9.3.2012)