Jahrzehntelang haben uns Rot und Schwarz vorgelebt, wie Politik ist, wenn man davon ausgeht, dass gegen das Schüren von Ressentiments durch Rechtspopulisten nichts hilft. Sprechen Blau oder Orange das in Österreich wohl am tiefsten sitzende Vorurteil - jenes gegen Ausländer - an, so seien ihnen Stimmengewinne gewiss, hieß es. Also gelte es, in solchen Fällen den Kopf einzuziehen und - wenn schon - im populistischen Chor mitzusummen.

Die Mobilisierung gegen "Asylanten" und vermeintliche Drogenkriminelle steht für die Wiener FP auch im sich anbahnenden Konflikt um Ute Bocks neues Flüchtlingsheim in der Favoritner Zohmanngasse im Mittelpunkt. Doch siehe da: Angesichts des besonders heißen Themas - eine Drogenrazzia im früheren, im Haus befindlichen Gesellenheim der Flüchtlingshelferin ist noch erinnerlich - verlässt die Rathaus-SP die eingefahrenen Bahnen. Der haltlosen, aber potenziell wirkungsvollen Polemik der Bundeshauptstadt-Blauen soll ein Anrainer-Diskussionsprozess entgegenwirken. Ja, um Bocks neues Haus sollen im Rahmen der Wiener Charta Regeln des Zusammenlebens entstehen.

Das ist neu, das ist mutig. Es eröffnet Chancen für einen anderen Umgang mit dem virulenten Xenophobie-Pro-blem. Insofern ist es ein wichtiger Schritt - selbst wenn ein Hauptgrund für die Rathaus-Roten wohl darin besteht, dass sie dem Halali der FPÖ auf den Bürgermeistersessel etwas entgegensetzen müssen. (DER STANDARD, 14./15.4.2012)