Der Redakteursrat des ORF kritisiert die Bestellung von Thomas Prantner zum Leiter der Hauptabteilung Online und neue Medien und Stellvertreter von Technik-Direktor Michael Götzhaber.

Foto: ORF/Hans Leitner

Der Redakteursrat des ORF will bei der Medienbehörde KommAustria eine Beschwerde einlegen. Thomas Prantners Technik-Führungsjob und Kompetenzen verletzten ORF-Gesetz, heißt es in einer Mail an die Redakteurssprecher.

Der frühere ORF-Online-Direktor wurde wie berichtet zum Leiter der Hauptabteilung Online und neue Medien bestellt. Prantner verantwortet das Online- und Teletext-Angebot des ORF, die Videoplattform ORF-TVthek, Projekte im Bereich neue Medien und Technologien sowie die strategische Führung und Koordinierung der Online-Vermarktung des ORF. Darüber hinaus soll er den Technischen Direktor Michael Götzhaber, in dessen Direktion die Online-Agenden seit der jüngsten ORF-Wahl ressortieren, als "Stellvertreter in Abwesenheit" vertreten.

Der ORF-Redakteursrat informierte die Redakteurssprecher nach STANDARD-Infos Montagmittag, dass er dagegen die KomAustria einschalte. Dem ORF-Gesetz widerspricht nach dem Befund des Redakteursrats

  • die Organisationsanweisung von ORF-Chef Alexander Wrabetz zu Prantners Aufgaben. Damit würden journalistische Kompetenzen in die technische Direktion verlagert. Diese Anweisung sei "mit dem Redakteursstatut und dem Gesetz "unvereinbar" und "nach professionellen Kriterien völlig unsinnig".
  • dass Wrabetz die Bestellung bekanntgab, ohne dem Redakteursausschuss seine gesetzlichen Mitwirkungsrechte einzuräumen. Bis Montag sei dem Redakteursrat "nicht einmal das Ausschreibungsergebnis" (für den Rat eine "Schein-Ausschreibung") bekanntgegeben worden. Das bedeute "eine Verletzung unserer Bestellungsmitwirkungsrechte", heißt es in dem Mail.
  • dass der ORF das Ergebnis der erst vor wenigen Wochen erfolgten Ausschreibung schon am 23. Dezember bekanntgegeben hat.
  • Der Redakteursrat will in seiner Beschwerde zudem "anführen, dass Organisationsanweisung, (Schein-)Ausschreibung und Bestellung ganz offensichtlich eine Folge von im Zuge der ORF-GD-Wahl geleisteter Versprechungen sind."

Der Redakteursrat kritisiert in seiner Aussendung auch andere Entwicklungen, die zeigten, "dass die Geschäftsführung aus der Verhinderung der Pelinka-Bestellung nicht wirklich gelernt hat":

  • Er verweist auf Stiftungs- und Betriebsrat Robert Ziegler. Er "amtiert auch nach rechtskräftiger BKS-Bestätigung des KommAustra-Urteils gegen eine der wesentlichsten Bestimmungen des ORF-G, die journalistische Unabhängigkeit, verstoßen zu haben als „Bundesländerkoordinator". In einer Funktion, die nach Aussage eines Stiftungsrates Ergebnis einer Zusage anlässlich der GD-Wahl ist."
  • Und: "Der kaufmännische Direktor, der die Einsparung weiterer 250 Dienstposten ankündigt, holt sich von außerhalb des ORF eine Büroleiterin, die sich ihre Qualifikationen ua in BZÖ-Ministerbüros und in der Hochegger-Agentur erwarb."
  • "Während Dienstposten in den Redaktionen in längst unerträglichem Ausmaß reduziert wurden und werden, wird in GD ein weiterer „Referent" ausgeschrieben (immerhin in VG 15, was in der Bezahlung einem/einer leitenden/leitender RedakteurIn entspricht).

Der Redakteursrat grundsätzlich: "Das alles ist wieder sehr unerfreulich, abermals geeignet das Ansehen des ORF als unabhängiges Medienunternehmen zu beschädigen." Aber es "hat  vielleicht auch etwas Gutes: Die öffentliche Debatte um dringend notwendige Änderungen des ORF-Gesetzes wieder zu intensivieren." Der Redakteursrat fordert etwa ein "völlig neues Aufsichtsgremium" für den ORF und ein verbessertes Redakteursstatut.

"Deckmantel vermeintlicher Mitwirkungsrechte"

Mit scharfer Kritik hat ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz auf die Ankündigung des Redakteursrats reagiert, sich wegen der Bestellung von Thomas Prantner zum ORF-Online-Hauptabteilungsleiter an die KommAustria zu wenden. Es sei sehr bedauerlich, dass "von den KollegInnen Wendl, Bornemann und Ziegler unter dem Deckmantel vermeintlicher Mitwirkungsrechte einmal mehr einzelne MitarbeiterInnen und der ORF denunziert werden", erklärte der Generaldirektor in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Alle seitens der Redakteursvertreter angesprochenen Ausschreibungsverfahren seien einwandfrei abgelaufen und fielen darüber hinaus nicht in die Zuständigkeit des Redakteursrats, betonte Wrabetz.

Auch Prantner selbst setzt sich gegen die Vorwürfe zur Wehr. Diese seien "inhaltlich falsch und von der Tonalität her unangemessen". Die Funktion des Hauptabteilungsleiters Online und neue Medien sei öffentlich ausgeschrieben und die Bestellung völlig korrekt abgewickelt worden. Zentralbetriebsrat und Betriebsrat Technische Direktion hätten die Organisationsanweisung Online und neue Medien unterschrieben und akzeptiert.

"Wo ist das Problem, Herr Wendl?"

Zudem hielt Prantner fest, dass im Rahmen der Umstrukturierung keine neuen Posten geschaffen worden seien. Es sei lediglich die bisherige Onlinedirektion in die Technische Direktion integriert und der Bereich Online und neue Medien als Hauptabteilung neu organisiert worden. Nach "fünfjähriger erfolgreicher Tätigkeit als Direktor für Online und neue Medien" nehme er für sich in Anspruch, für die nahezu selbe Tätigkeit wie bisher qualifiziert zu sein. Die Aufgabe als Stellvertreter des Direktors müsse nicht ausgeschrieben werden, sondern es sei Entscheidung des Direktors, wer ihn in seiner Abwesenheit vertrete: "Also wo ist das Problem, Herr Wendl?", fragt Prantner.

Die multimediale Zukunft des ORF als modernes Rundfunkunternehmen sei zu wichtig, "als dass Zeit und Energie mit unsachlichen betriebsinternen Scharmützeln und rufschädigenden Polemiken des Redakteursratsvorsitzenden vergeudet" würden, meinte Prantner. Dass Wendl das eigene Unternehmen bei der Komm Austria anzeige und damit auch die Arbeit von vielen Mitarbeitern im Onlinebereich vernadere, sei "in hohem Maße unternehmensschädigend und negativ fürs Betriebsklima.

Wendl kontert: "Parteipolitische Wunscherfüllung"

Der Vorsitzende des Redakteursrats, Fritz Wendl, reagierte prompt. Seinen Generaldirektor erinnerte er: "Die ORF-Journalisten haben keine „vermeintlichen" Mitwirkungsrechte, sondern gesetzlich garantierte. Und der Generaldirektor braucht auch nicht überrascht tun: Der Redakteursausschuss hat, wie auch in dem dem Generaldirektor bekannten Protokoll der Sitzung vom 20. 3. steht, beschlossen: „Der Redakteursausschuss beauftragt den Redakteursrat einstimmig nun folgenden, im Redakteursausschuss vom 18. 11. gefassten, Beschluss KommAustria-fristgerecht umzusetzen: ‚Kommt es zu Verstößen gegen journalistische (Mitwirkungs-)Rechte - was zB der Fall wäre, würden JournalistInnen TD oder sonst Unzuständigen unterstellt - hat der Redakteursrat unverzüglich alle erdenklichen Gegenmaßnahmen vorzunehmen, wie etwa die Anrufung der KommAustria.""

Wendl zu Prantner: "Dass Herr Prantner eine Beschwerde mit dem Ziel das ORF-Gesetz einzuhalten als „vernadern" der „Arbeit von vielen Mitarbeitern im Onlinebereich" bezeichnet, ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass er seine ORF-Positionen weniger der Kenntnis der Arbeit von vielen ORF-MitarbeiterInnen als parteipolitischer Wunscherfüllung zu verdanken hat. Nicht zuletzt die Journalisten der einstigen Onlinedirektion haben mehrmals von Redakteursvertretung und Betriebsrat verlangt, alles Erdenkliche zu unternehmen, damit sie endlich der Fernsehdirektion zugeteilt werden (wo die TVthek natürlich auch sachlich hingehört). Und was die MitarbeiterInnen der überaus erfolgreichen Onlinetochterfirma des ORF (mit eigenem Redakteursstatut) vom Wirken Herrn Prantners halten, haben orf.on-Betriebsrat und -Redakteursvertretung mehrfach - auch öffentlich - erklärt."

„Unternehmensschädigend" sei "jedenfalls nicht das Benennen von Missständen, sondern deren Verursachung", erklärt Wendl gegenüber etat.at. Er erinnert, "dass KommAustria und Bundeskommunikationssenat ja auch schon in der Causa der ORF-Gesetzverletzung des Stiftungsrats Ziegler vollinhaltlich die Ansicht des Redakteursrats bestätigten." (red, APA, derStandard.at, 16.4.2012)