Ist jetzt nichts alles oder alles nichts? Wiener Schüler suchen nach dem Sinn.

Foto: Birgit Kellner

Ihr Projekt ist eines von vielen der bundesweiten Theaterinitiative Macht|Schule|Theater.

Wien - Sage noch einer, die heutige Jugend engagiere sich nicht. Wiener Schüler und Schülerinnen laufen da, mit Stirnlampen, Flüstertüten und Schildern bewehrt, durch den 17. Gemeindebezirk und skandieren: "Wir wollen nix!" Sie haben Polizeischutz, denn sie führen hier eine Performance auf: Ist alles nix? Eine Sinnsuche wird im öffentlichen Raum und vor allem im Veranstaltungsraum mo.ë gezeigt.

Erarbeitet haben sie ihre etwas irritierende Forderung im Rahmen der bundesweiten Theaterinitiative "Macht|Schule|Theater", die 2008 vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Kulturkontakt Austria und dem Dschungel Wien gegründet wurde. Das Projekt ermöglicht es Schülern aus ganz Österreich, sich durch und über das Theater mit ihrer alltäglichen Lebenswelt, speziell mit Machtverhältnissen und Gewalt auseinanderzusetzen. Dschungel-Direktor Stephan Rabl dazu: "Den Schülern wird Kunst nicht nur vermittelt, sie sind direkt damit konfrontiert."

"Ich möchte jetzt nicht behaupten, Theater ist das Allheilmittel", fährt Rabl fort. "Aber hier wird eine wichtige Basis geschaffen. Die Schüler machen völlig andere Erfahrungen als in ihrem Alltag." Gerade vor dem Hintergrund zunehmender Sparmaßnahmen, die speziell Bereiche wie Kunstförderung oder Bildung betreffen, ist ihm das zu erwähnen wichtig. Und wie um ihn zu bestätigen, veröffentlichte die IG Freie Theater gestern eine Mitteilung zu drei Jahren Imag (Interministerielle Arbeitsgruppe Gender-Mainstreaming/Budgeting). Der freie Sektor, wird dort resümiert, dümple nach wie vor in einem "juristischen Graubereich." Gefordert werden strukturelle Lösungen für den gesamten Theatersektor.

Was aus dem "Nix" entsteht

Andere Sorgen haben die 14- bis 20-jährigen Schüler dreier Wiener Schulklassen in Ist alles nix?. Mit beeindruckender Klarsichtigkeit und erfreulicher Leichtigkeit arbeiten sie sich am Nihilismus ab. Wozu etwas machen, wenn doch am Ende nur das "Nichts" dabei herauskommt? Die Schüler denken laut darüber nach, singen, tanzen und üben sich in sokratischen Streitgesprächen.

Dass ihr diskurslastiger Zugang auch auf der Bühne funktioniert, verdankt sich der professionellen Unterstützung unter anderem durch eine Theaterpädagogin, eine Choreografin und eine Dramaturgin. Die gut 80 Minuten, in denen es vom Veranstaltungsraum über die Demonstration auf der Straße zum Kubus Export am Gürtel geht, sind größtenteils sehr stringent, die Darsteller verlieren die Aufmerksamkeit ihres Publikums nicht. Mit außerordentlicher Spielfreude, Präsenz und Persönlichkeit bewegen sich die Schüler in der Raumsituation und zwischen ihren lose in der leeren Halle verteilten Zuschauern, welche sie umringen. Die Schüler zeigen hier wie auch während der kleinen Demo keine Berührungsängste, mischen sich unter die Zuschauer, sprechen sie an, animieren sie, doch auch einmal in die Flüstertüte zu sprechen. Sie engagieren sich für etwas. Sie wollen Handlungsfreiheit. Denn: "Aus "Nix" kann alles werden."

Morgen, Freitag, wird es nach der Aufführung auch noch eine Podiumsdiskussion in der Brunnenpassage am Yppenplatz zum Thema " Solidarität als Lebenswert" geben. Und auch im Schauspielhaus Wien heißt es am 22. und 23. April im Rahmen von Macht|Schule|Theater "Szene machen!" mit dem Stück Spurlos. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 19.4.2012)