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Wien - Alle Jahre wieder vor dem Landesparteitag der Wiener SP bekommen die Delegierten einiges zu lesen. Dutzende Anträge, fein säuberlich zusammengeheftet und jeweils mit einem entscheidenden Hinweis versehen: Annahme, Zuweisung an ein weiteres Gremium oder Ablehnung. Eine eigene Kommission erarbeitet im Vorfeld des Landesparteitages die Empfehlungen für die Delegierten, und genau das ist der Jungen Generation (JG), einer Nachwuchsorganisation der Wiener Roten, ein Dorn im Auge: Sie beantragt beim großen roten Treffen morgen, Samstag, die Abschaffung der Antragskommission. Diese empfiehlt den Delegierten wenig überraschend die Ablehnung des Begehrs.

Überhaupt hat es der Antrag in sich: Die Ergebnisse der Mitgliederbefragung, die die Partei im vergangenen Jahr durchgeführt hat, "legen den Schluss nahe, dass viele Mitglieder das Gefühl haben, dass viele Entscheidungen der Parteispitze in den vergangenen Jahren an ihnen vorbei durchgesetzt wurden", heißt es darin. Die Antragskommission würde die Delegierten beeinflussen, diese sollten aber eigenständig entscheiden, wünschen sich die jungen Roten. Marcus Gremel, Landesobmann der JG, wollte mit dem Standard am Donnerstag nicht darüber sprechen, organisatorische Diskussionen führe man am Parteitag, sagte Gremel.

Kleines Erdbeben

Im Vorjahr hatte es bei dem Landestreffen ein kleines Erdbeben gegeben: Zur Verblüffung der Parteispitze stimmten die Delegierten einem Antrag der Sektion 8 auf ein Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien zu; erst nachdem auch die Grünen auf die Linie der Parteibasis eingeschwenkt waren und ankündigten, im Gemeinderat ihre Zustimmung zu einem neuen Glücksspielgesetz zu verweigern, konnten sich die SP-Regierungsmitglieder zu dem Totalverbot durchringen.

Für Aufsehen gesorgt hatten im Vorjahr auch die schlechten Wahlergebnisse für Finanzstadträtin Renate Brauner (72,1 Prozent) und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (76,3 Prozent). Diesbezüglich droht am Samstag kein Ungemach, es stehen nämlich keine Wahlen an. Und die Sektion 8 findet sich diesmal nicht unter den Antragsstellern.

Standard-Informationen zufolge entstand aber ein weiterer Antrag der JG unter ihrer Mitwirkung: Unter dem Titel "Nein zu einer europaweiten Wachstumsbremse" fordert der rote Nachwuchs, "den europäischen Fiskalpakt in der derzeit vorliegenden Fassung nicht zu ratifizieren". Zudem dürfe man "die österreichische Bundesverfassung nicht nach den Launen der Finanzmärkte umgestalten", die Delegierten des Landesparteitags sollen daher Nein sagen zu einer Schuldenbremse im Verfassungsrang.

Bredouille für Faymann

Sollten sich die Wiener Roten dazu tatsächlich entschließen, dann würden sie damit ihren Genossen im Bundeskanzleramt, Werner Faymann, einigermaßen in die Bredouille bringen. Die Antragskommission versucht wohl, die Partei vor solchem Ungemach zu bewahren - sie empfiehlt die Ablehnung des Antrags. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 27.4.2012)