"Die Lehrerinnenbildung ist sicher der Hebel", sagt Heidi Schrodt.

Foto: derstandard.at/pumberger

STANDARD: Warum soll der Anlauf zum neuen Lehrerdienstrecht diesmal gelingen?

Heidi Schrodt: Wenn das scheitert, das wäre eine Katastrophe. Das derzeitige Lehrerdienstrecht ist völlig überholt. Da steht ein Bild von der Tätigkeit der Lehrerinnen und Lehrer dahinter, das einfach nicht mehr dem entspricht, was Lehrersein heute bedeutet und sein soll.

STANDARD: Welches Bild haben Sie vom heutigen Lehrer?

Schrodt: Heute als Lehrer tätig zu sein heißt sicher nicht nur unterrichten, sondern sehr viel mehr erziehen. Es heißt auch, sich um Verhaltensauffällige zu kümmern, mit den Familien zu arbeiten, in allen Bereichen der Begabungsspektren zu fördern, mit Inklusion und Migration umgehen zu können. Das heißt aber nicht, dass das alles eine Person tun soll. Aber das ist das Tätigkeitsfeld, mit dem Schule heute zu tun hat.

STANDARD: Das spüren Lehrer ja täglich. Dennoch hat man das Gefühl, da gibt es auch einen ziemlich starken Widerstand Veränderungen gegenüber.

Schrodt: Die Lehrer spüren das. Darum gibt es so viel Burnout unter Lehrern. Weil diese immer neuen Anforderungen und die Erweiterung des Aufgabenfeldes einfach nicht von einer Person bewältigt werden können. Ich bezweifle, ob der Widerstand gegenüber einer guten, vernünftigen Änderung des Berufs- und Aufgabenfeldes wirklich so groß ist. Wenn man einmal die wegrechnet, die sowieso gegen alles sind - und die gibt es vielleicht gerade unter den Lehrern etwas mehr als sonst: Der Widerstand kommt daher, dass viele befürchten, es kommt noch etwas dazu.

Das ist nämlich passiert in den letzten Jahrzehnten. Es sind immer neue Aufgaben hinzugekommen und über Erlässe geregelt worden, die ohnehin kaum mehr jemand durchblickt. Dieser Gefahr muss man begegnen, indem man wirklich etwas ganz Neues schafft. Ich glaube, dass die Bereitschaft da ist, sich auf Veränderungen einzulassen, wenn die Veränderungen auch eine Verbesserung der Arbeitssituation des einzelnen Lehrers bedeuten.

STANDARD: Haben Sie auch Hoffnung, dass diesmal substanzielle Reformen angegangen werden? In Ihrem offenen Brief an die verhandelnden Ministerinnen drücken Sie ja auch einige Befürchtungen aus.

Schrodt: Die Befürchtung fundiert auf einigen Jahrzehnten Praxis im Schulsystem und einer ziemlich guten Kenntnis der österreichischen Schulbürokratie. Aber die Hoffnung besteht, es hat sich ja auch einiges im Bewusstsein der Politiker verändert.

STANDARD: Wo sollen Politiker anfangen um eine neue Schule zu ermöglichen?

Schrodt: Die Lehrerinnenbildung ist sicher der Hebel. Ohne die geht's nicht. Sofort parallel dazu gehört aber das neue Lehrerdienstrecht, eine neue Aufgabenbeschreibung und eine Verwaltungsreform umgesetzt. Abgesehen davon, dass Letztere uns das Geld für die kostenintensive Systemumstellung bringen würde: Wenn das nicht passiert, dann kann man auch alles andere vergessen. Das ist wie bei einem Zahnrad. Wenn da zwei Rädchen defekt sind und in diesem Gefüge etwas ausfällt, dann kann das Ganze nicht in Gang kommen. Ohne Verwaltungsreform keine Schulautonomie und ohne Schulautonomie erreicht man nicht die Qualität von Schule, die es braucht.

STANDARD: Dann würden die Dienstrechtsverhandlungen heruntergebrochen auf: Länger im bestehenden System bleiben und weniger dafür gezahlt bekommen?

Schrodt: Das ist die Gefahr. Wenn das der Fall ist, dann ist es nicht gut für das Schulsystem. (Karin Riss, DER STANDARD, 3.5.2012)