Ivica Vastic wurde am Dienstag in seinem Amt als Austria-Trainer bestätigt. Und dennoch muss er einem fast leidtun. Man hat ihm im Dezember einen Job angeboten, dem er nicht gewachsen scheint. Natürlich hat er nicht abgelehnt, die Chance, einen heimischen Spitzenklub zu betreuen, bietet sich nicht jeden Tag. Einige Monate später sieht er sich nicht nur sachlicher Kritik, sondern auch Untergriffen ausgesetzt, sein Ruf als Trainer ist nachhaltig beschädigt, seine Person wurde verheizt. Vielleicht hätte er ein guter Trainer werden können, wir werden es in nächster Zukunft wohl kaum erfahren. Es ist nicht anzunehmen, dass die Austria mit Vastic in die nächste Saison starten wird, Qualifikation für die Europa League hin oder her. 

Die Ablöse von Karl Daxbacher war ein Fehler, ein Irrtum, ein Kurzschluss. Im Nachhinein redet es sich immer leichter, sagt man in einer solchen Situation ganz gerne. Doch diesmal ist es anders, denn die Sinnhaftigkeit dieses Trainerwechsels wurde im Moment selbst nicht nur in Blogs und Kommentaren stark angezweifelt. Der Austria-Vorstand ist ein hohes Risiko eingegangen: Er hat einen erfolgreichen Trainer durch einen Rookie ersetzt, ohne medialen Druck, ohne Aufbegehren der Fans. Aber warum hat sich der Fan trotz enttäuschender Liga-Ergebnisse nicht gegen Daxbacher aufgelehnt? Weil er ein System erkannt hat, weil er nicht blöd ist. Mittlerweile kann er kein System mehr erkennen, also wird er unrund.

Nun sind nicht nur die Ergebnisse schlecht, auch das Spiel ist es. Auftritte wie jene im Herbst gegen Alkmaar oder im ersten Saison-Derby gegen Rapid scheinen mittlerweile undenkbar. Eine dreijährige Aufbauarbeit wurde einer grotesk anmutenden Idee des Vorstands geopfert. Unter normalen Umständen müsste Vastic bereits Geschichte sein, doch diesmal reagiert der Vorstand sehr zögerlich. Und dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Wenn Parits nun Vastic sagt, muss er auch Parits sagen. Alles andere wäre inkonsequent, würde seinen Spruch von der "vollen Verantwortung" ad absurdum führen und ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem mit sich bringen.

Die Austria war in Sorge, den Titel unter Daxbacher ein weiteres Mal zu verpassen, deswegen hat man einen Trainer verpflichtet, dem man die Latte auf "Erreichen der Europa League", also Platz drei oder vier, gelegt hat. Ganz logisch. Wichtiger wäre es im Dezember allerdings gewesen, sich rechtzeitig um einen adäquaten Ersatz für den sich lange ankündigenden Abgang von Zlatko Junuzovic zu bemühen. Der kommt jetzt zwar mit Dare Vrsic, allerdings ein halbes Jahr zu spät. Für den Trainer sollen die Abgänge keine Ausrede darstellen. Unter Daxbacher gingen Acimovic, Baumgartlinger, Okotie und Dragovic verloren, nicht aber die Spielkultur. Spielerabgänge der Besten gehören in Österreich zum Vereinsleben - in Ried, Hütteldorf, Graz und auch in Favoriten. Deswegen sollte man im Frühjahr noch lange nicht zweimal gegen Absteiger Kapfenberg verlieren.

Aber nicht nur Parits muss sich Vorwürfe gefallen lassen, auch AG-Vorstand Markus Kraetschmer. "Uns ist klar, dass sich Parits und ich zu Saisonende an dieser Entscheidung messen lassen müssen und wir in gewisser Hinsicht auch die Schuldigen sind, wenn es nicht so klappt wie erhofft", ließ Kraetschmer im Februar in einem Interview wissen. Dass es nicht so geklappt hat wie erhofft, kann man drei Runden vor Saisonende bereits festhalten. Jetzt wird gemessen, und das Urteil lautet im Konzert: schwach. Trotzdem: Kraetschmer hat die Ära Stronach überlebt, den Verein nach dem Abgang des Milliardärs auf solide Beine gestellt. Der Verein wäre schlecht beraten, einen Mann mit seinem Know-how fallen zu lassen, zumal seine Kernkompetenz auch bei den Finanzen und nicht im Sport zu suchen ist. 

Welcher Teufel Thomas Parits geritten hat, ist aber nach wie vor unklar. War es wirklich Sponsor Harreither, der sein Testimonial Vastic in den Trainersessel hieven wollte, oder war Parits tatsächlich davon überzeugt, eine pipifeine Idee zu haben? Fehlt es nur an Rückgrat oder doch an Kompetenz in Sachen Personalpolitik? Für seine Zukunft bei der Austria muss die Antwort auf diese letzte Frage keine Relevanz mehr haben. (Philip Bauer, derStandard.at, 8. Mai 2012)