Erst der Staatenbericht an die Vereinten Nationen, dann der Schattenbericht der Zivilgesellschaft als Ergänzung: Das Prozedere zur Umsetzung der UN-Konvention gegen Frauendiskriminierung (Cedaw) in Österreich gleicht jenem, das anlässlich der Universellen Menschenrechtsprüfung 2011 galt.

Und so wie vergangenes Jahr eröffnen auch die niedergeschriebenen Wahrnehmungen der Basis wieder Perspektiven. Denn in Zusammenspiel mit dem offiziellen Papier ermöglicht es eine Art Gesamtschau über den Stand der Dinge der Frauenrechte - nicht nur im Kleinen, sondern insgesamt: eine Sichtweise, die in Österreich unpopulär ist, seit den 90er-Jahren und spätestens seit Schwarz-Blau, als die Wende zum Konservativen eingeleitet wurde.

Danach wurden Gleichstellungsoptionen, etwa durch EU-Richtlinien, nur zögernd ergriffen. Nur das absolute Minimum der Vorgaben wurde umgesetzt. Und Frauenpolitik fand vielfach auf Einzelschauplätzen statt. Gesetzt wurden zum Beispiel Maßnahmen gegen Gewalt: Sie sind richtig und wichtig. Doch wird die Frage gestellt, ob sie in adäquatem Maß auch Nichtösterreicherinnen zugutekommen, die im Land leben, erlahmt sogleich das Interesse.

In Vergessenheit geraten ist, dass die Gleichstellung von Mann und Frau gesellschaftlichen Veränderungswillen voraussetzt. Das ergibt sich aus den UN-Vorgaben; in Österreich ist diese Botschaft nicht wirklich angekommen. (Irene Brickner, DER STANDARD, 10.5.2012)