Wien - Hubsi Kramar sperrt sein Wiener 3raum-Anatomietheater zu. Weil der Pachtvertrag mit der Musikuni im Herbst ausläuft und der "Theaternomade" weiterzieht, gibt es als Abschiedsgeschenk noch zweimal Oscar Wilde, danach Schlussveranstaltungen wie eine Großversteigerung im Theater - und "Mitte Oktober ist Schluss", so Kramar:  "Das ist der natürliche Ablauf der Dinge. Es ist angenehm zu wissen, dass dieser unglaubliche Selbstausbeutungsprozess ein Ende hat."

"Ich bin 65 und mache seit mehr oder weniger 40 Jahren freies Theater, wo man als Theaterdirektor im Grunde Tschickstummeln aufklaubt und Toiletten reinigt." Als er den Vertrag mit der Musikuni abschloss, sei ihm klar gewesen, "dass ich versuche, die sieben Jahre durchzuhalten - und das ist mir auch erstaunlich gut gelungen". Wien habe sich als fruchtbarer Boden entpuppt für seine Arbeit, "wie das in wenigen Städten möglich gewesen wäre", so Kramar. "Es war eine wunderschöne Zeit und es hat mich sehr gefreut. Auch, dass man mich ein wenig unterstützt hat - für jemanden, der die Hand, gern beißt, die ihn füttert, ist das nicht selbstverständlich."

Künftig werde er "Theater spielen, inszenieren und schreiben, denn das ist ja mein Leben", aber eben "mich auch freuen über Spazierengehen". Zum Abschied gibt es zwei Stücke von Oscar Wilde, mit denen Kramar große Erfolge feierte. "Lady Windermeres Fächer" ist ab dem 22. August zu sehen, "Bunbury" am dem 12. September. Mit Wilde verbinde ihn besonders viel, sagt Kramar über sein "satirisches Volkstheater". "Er ist für mich der pointierteste Kritiker der Feudalgesellschaft, in der wir nach wie vor leben. Mir gefällt der Witz und die Intelligenz und die Aufrichtigkeit dieser Kritik."

Würdigungen

"Hubsi Kramar hat mit dem 3raum-Anatomietheater über viele Jahre für neue Akzente in der Theaterlandschaft gesorgt und vielen Theaterschaffenden eine Plattform gegeben", meinte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny in einer Aussendung - mit "Dank und Respekt" dafür, was Kramar für die Wiener Kultur geleistet hat: "Das 3raum-Anatomietheater war von Anfang als temporäres Projekt angelegt und kann heute als Paradebeispiel gelungener kultureller Zwischennutzung angesehen werden. Glücklicherweise wird das Wiener Publikum Hubsi Kramar als Theatermacher weiter erleben können, nur eben an anderen Spielorten in der Stadt".

Auch die Grünen Wien senden Dank. "Das 3raum-Anatomietheater war seit seiner Gründung einer der wichtigsten Kristallisationspunkte für kritische und politisch anspruchsvolle Theaterarbeit", so Kultursprecher Klaus Werner-Lobo. "Hubsi Kramar hat dort nicht nur künstlerisch herausragende Stücke ermöglicht, produziert und inszeniert, er hat im 3raum wie in seiner gesamten bisherigen künstlerischen Tätigkeit immer wieder das Potenzial von Theater als gesellschaftskritischer Interventionsform ausgeschöpft und erweitert." "Das Haus in der Beatrixgasse war immer auch Treffpunkt für freie KünstlerInnen und AktivistInnen. Mit anderen Kulturschaffenden aus der Freien Szene hat Hubsi Kramar das Prinzip Kooperation statt Konkurrenz in vorbildlicher Weise geübt. Eines der Kernprojekte Rot-Grüner Kulturpolitik, nämlich postmigrantisches Theater und die Sichtbarmachung Wiens als Zuwanderungsstadt, praktizierte Hubsi Kramar bereits seit langem als Selbstverständlichkeit. Nicht nur das: Wenn es etwa darum ging, gegen die Abschiebung von Arigona Zogaj und die unmenschliche Fremdenrechtspolitik der Bundesregierung aufzutreten, war das 3raum spontan mit Solidaritätsveranstaltungen zur Stelle. Dass Hubsi Kramar diese solidarische Kulturauffassung als Ausnahmekünstler weiterleben wird, daran zweifelt wohl niemand. Wir werden ihn weiter dabei unterstützen."  (APA, red, 31.5.2012)