Der Sekretär Georges Pitou (Walter Ludwig) erweist sich als glänzender und vor allem ebenbürtiger Widerpart zu Sarah Bernhardt (Julia Gschnitzer).

Foto: Theater Praesent

 Innsbruck - Kaum hat sich der Raum verdunkelt, als ein Geräusch alle Blicke nach hinten lockt. Dort steht eine strahlende Sarah Bernhardt (Julia Gschnitzer) im weißen Pelzmantel. Sie humpelt und ist deshalb auf ihren Sekretär Georges Pitou (Walter Ludwig) gestützt. Eine Vertrautheit, die während der nächsten eineinhalb Stunden auf die Probe gestellt wird.

Zunächst verlassen aber beide den Raum und geben den Blick auf das Bühnenbild (Jan Hax Halama) frei: mittig führt dort eine Holztreppe nach oben; weißgerahmte Fotografien zeigen "Bernhardt" in unterschiedlichen Rollen. Eine Uhr tickt im Hintergrund. Dann erst betritt Bernhardt die Bühne und beginnt ihr Spiel: sie will nicht von ihren früheren Rollen lassen; Pitou soll ihr beim Erinnern helfen.

Denn solange sie die Phädra oder Kameliendame am Leben erhält, bleibt auch sie selbst am Leben und ist imstande, ihre Memoiren zu verfassen. Neben Pitou, den sie zwingt, Figuren aus ihrem "richtigen" Leben zu verkörpern, hat sie nur eine einzige Verbündete: die Sonne. Denn "wir beide ähneln uns, wir sind (...) strahlend, schonungslos und erheben Anspruch auf die Ewigkeit". Walter Ludwig ist als Pitou Gschnitzer ein glänzender und vor allem ebenbürtiger Widerpart.

Die Grande Dame des Theaters, Julia Gschnitzer, verkörpert Bernhardts exzentrisches Spiel um alte Vorlieben mit einer kongenialen, unverstellten Direktheit. Eindrücklich gelingt es beiden, tiefliegende Ängste ihrer Figuren zu sezieren. In der Regie von Alexandra Ladurner sind Die Memoiren der Sarah Bernhardt zu einem Kleinod des Theaters Praesent geworden. Ein intimer und sehr berührender Abend.   (Tereza Kotyk, DER STANDARD, 8.6.2012)