Die Teilnehmerinnen der Frauenakademie Ulrike Faltin und Barbara Haas können nach dem Lehrgang mit geschultem feministischem Blick die Wirtschaft betrachten.

Foto: Karoline Bloderer

Salzburg - Ob die tägliche Arbeit als Hausfrau, die ehrenamtliche Mitarbeit in einer sozialen Organisation, oder auch die harte Arbeit auf dem eigenen Bauernhof. Frauen leisten viel Arbeit, die oftmals wenig Wertschätzung erfährt, weil es sich um unbezahlte Arbeit handelt. "Ändert das Bewusstsein, handelt jetzt, bildet Allianzen starker Frauen", dieses Ziel haben sich die Absolventinnen des dritten Lehrgangs "Geld und Leben" der Frauenakademie der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksö) gesetzt, um Frauenarbeit sichtbarer zu machen. Die 16 Teilnehmerinnen erwarben ökonomische Kompetenzen und entwickelten Innovationsprojekte im beruflichen, sozialen und politischen Umfeld. 

Die Absolventinnen kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Mitarbeiterinnen aus sozialen Organisationen oder dem Schulbereich, Gemeinderätinnen aber auch die Architektin oder Bilanzbuchhalterin haben den zweijährigen berufsbegleitenden Kurs absolviert.

Wirtschaftliche Kompetenz

"Ziel ist es den Frauen ein umfassendes Analyseinstrumentarium im Bereich Ökonomie, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik zur Verfügung zu stellen", erläutert Lehrgangsleiterin Margit Appel. Gleichzeitig wird den Teilnehmerinnen der Blickwinkel geöffnet, dass "Wirtschaft mehr sein kann als es auf den ersten Blick scheint", betont Appel. Denn die Wirtschaft gehe über den Profit-Bereich hinaus. Gerade Frauen seien wichtige Akteurinnen der Wirtschaft, indem sie viel unbezahlte Arbeit leisten. Aber auch die prekären Arbeitssituationen von vielen Frauen, sollen angesprochen und sichtbar gemacht werden. Als Abschluss des Lehrgangs wurden gemeinsam 13 Projekte entwickelt und so Wege der Umsetzung erprobt.

Feministische Ökonomie

Als Grundlage der Projektarbeiten, die bei der Abschlussveranstaltung in St. Virgil präsentiert wurden, wählten viele Teilnehmerinnen das Fünf-Sektoren-Modell der Gesamtwirtschaft von Luise Gubitzer, Professorin an der WU Wien. Die Ökonomin plädiert für einen erweiterten Wirtschaftsbegriff und unterteilt ihn in die fünf Sektoren: For-Profit-Sektor, Non-Profit-Sektor, Haushaltssektor, Öffentlicher Sektor und Illegaler Sektor. Durch diese feministische Betrachtung der Ökonomie, können die Leistungen der Frauen sichtbarer gemacht werden. Auch die gesellschaftliche und politisch-ökonomische Bedeutung der Hausarbeit soll Einklang in das Modell finden. Denn in jedem Sektor werde eine Aufgabe erfüllt, die nicht in andere Sektoren übertragbar sei, erläutert Margit Appel.

Frauen als Leistungsträgerinnen

Der erweiterte feministische-ökonomische Blick spiegelt sich auch in den Projektarbeiten der Teilnehmerinnen wieder. Das Projekt "Bäuerinnen wirtschaften" soll etwa die Fülle der Bäuerinnenarbeit sichtbar machen. "Die Frauen arbeiten von früh bis spät, und es ist ihnen nicht einmal bewusst", erklärt die Projektleiterin Katharina Haider. Die mit den Bäuerinnen geführten Interviews werden als Grundlage für ihre Diplomarbeit dienen. Gleichzeitig soll eine Fotoausstellung die vielfältige Arbeit von Bäuerinnen abbilden. 

Andrea Abedi hingegen konzipierte im Laufe des Lehrgangs ein Bildungsangebot für bildungsbenachteiligte Frauen mit Kleinkindern, das in der Caritas Sozialberatung umgesetzt wird. Abedi besuchte den Kurs, um "die Scheu zu verlieren sich mit Wirtschaft auseinanderzusetzen". Auch in ihrer Arbeit als Sozialberaterin wird Andrea Abedi den Grundsatz weitergeben: "Frauen sollen sich auch als Leistungsträgerinnen sehen".

Auch die Schuldnerberaterin Susanne Jürgens erklärt: "Frauen müssen auf ihre ökonomischen Fähigkeiten hingewiesen werden". Die Mitarbeiterin der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldnerberater beschäftigte sich in ihrem Abschlussprojekt mit der Budgetberatung (Pilotprojekt zu Prävention in Vorarlberg gestartet), die sich gerade in der einjährigen Testphase in allen Bundeländern befindet. Fragen der Haushaltsfinanzen für Menschen mit niedrigem Einkommen stehen im Mittelpunkt der Budgetberatung.

Projekt in freier Kulturszene

Die freie Schauspielerin Luise Ogrisek nahm an dem Lehrgang teil, weil sie verärgert war keine Wirtschaftsliteratur von Frauen zu finden. Gemeinsam mit der freien Produktionsleiterin Serena Laker initiierte Luise Ogrisek ein Selbsthilfe-Experiment für freie Kulturarbeiterinnen als Abschlussprojekt. Mit dem Workshop "Freie Kunst - Kunst um jeden Preis!?", wollen die beiden freien Kulturarbeiterinnen in der eigenen Branche Bewusstsein schaffen, dass die schlechte Bezahlung in der freien Kunst- und Kulturszene nicht weiter politisch akzeptiert werden dürfe. 30 Prozent der freien Kulturschaffenden leben unter der Armutsgrenze. Mit einer Allianz könnten Lösungsvorschläge für legale Arbeitsverhältnisse erarbeitet werden und selber Maßnahmen gegen die Missstände gesetzt werden, erläutert Luise Ogrisek.

Mit dem Projekt "Identität und Differenz im öffentlichen Raum" überprüften die Architektin Sandrine von Klot und die Sozialarbeiterin Verena Rassmann inwiefern das Fünf-Sektoren-Modell auch im öffentlichen Raum sichtbar wird. Der Wiener Karlsplatz diente als Beobachtungsort. "Der öffentliche Raum verschwindet zunehmend, weil privatwirtschaftliche Interessen die Öffentlichkeit verdrängen", erläutert Sandrine von Klot, deren Vorgängerprojekt Public Space 2.0 vom österreichischen Wissenschaftsfond gefördert wurde. (Stefanie Ruep, dieStandard.at, 18.6.2012)