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Berlin aus der Sicht einer Handy-Panoramakamera: Die Stadt arbeitet mit Forschern an einer Politik der offenen Daten. Die Bereitstellung von umfassenden Informationen soll die Stadt lebenswerter machen. Ohne Bürgerbeteiligung kann das allerdings nicht gelingen.

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Ina Schieferdecker: "Ich denke, nur wenn der Mehrwert für die Leute klar ist, werden sie sich auch beteiligen."

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Was es dazu alles braucht, erfragte Sascha Aumüller.STANDARD: Unsere Städte sollen "Smart Cities" werden - wann ist der Begriff erstmals aufgetaucht?

Schieferdecker: 2004 hat sich in den USA das Intelligent Community Forum gebildet und den Begriff benutzt. 2007 wurde in Wien schon ein erstes European-Smart-Cities-Ranking erstellt. Im siebten Forschungsrahmenprogramm der EU gibt es zudem eine eigene Ausschreibung unter diesem Namen.

STANDARD: Warum braucht es eine Smart-City-Forschung?

Schieferdecker: Es geht darum, Systeme, die wiederum aus Systemen bestehen, zu optimieren - damit das Leben in Städten lebenswerter wird. Dabei geht es um mehr, als nur die Kommunikation oder Mobilität zu betrachten. Es gibt jede Menge Querbezüge, wenn man einen ganzheitlichen Blick einnimmt.

STANDARD: Ist die schlaue Stadt mehr als eine Digital City?

Schieferdecker: Es ist klar, dass es keine Smart City ohne Informations- und Kommunikationstechnologien gibt. Aber es wird nicht ausreichen, nur zu digitalisieren. Es kommt auf die Menschen und die Prozesse in einer Stadt an.

STANDARD: Demnach machen gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen eine Stadt smarter?

Schieferdecker: In der Forschung müssen Soziologen mit Verwaltungs- und Technikwissenschaftern zusammenarbeiten. Wir konzipieren etwa gerade für Berlin ein partizipatives Wetternetz. Da analysieren Soziologen mithilfe der Katastrophenforschung, wie unterschiedliche Milieus überhaupt Informationen und Hilfestellungen annehmen können und welche Form diese haben sollen.

STANDARD: Es gilt also auch herauszufinden, wie fit Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit digitalen Informationen sind?

Schieferdecker: Ja, und dabei handelt es durchaus um einen Kulturwandel, der Zeit braucht. Ich sehe das an meinen Kindern, die einen ganz anderen Zugang zu Verkehrsmitteln haben wie meine Generation. Allerdings finde ich auch, dass die Informationen einfach noch nicht gut genug sind, um ohne Qualitätsverlust auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen. Die prinzipiellen Möglichkeiten sind erkennbar, aber wirklich bedarfsorientierte Daten sind noch nicht verfügbar.

STANDARD: Hat das technologische oder andere Gründe?

Schieferdecker: Das ist weniger ein technisches als ein organisatorisches Problem. Es muss ein Umfeld geben, das sich dafür einsetzt, Daten der öffentlichen Hand wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. Durch das Teilen solcher Informationen werden sich größere Mehrwerte ergeben, als das heute der Fall ist. Es liegen zudem wichtige Infrastrukturdaten in Unternehmen, wo Märkte liberalisiert wurden. Auch diese müssen sich - getriggert durch die Zivilgesellschaft - der Öffnung ihrer Daten stellen. Man kann aber nicht alles bekommen. Deshalb werden Daten, an die man nicht rankommt, ja bereits von einer Community produziert - etwa bei Open Street Map oder Wikipedia.

STANDARD: Es muss also auch die Bereitschaft der Bürger geben, hilfreiche Informationen zu liefern?

Schieferdecker: Das passiert ja schon längst über statistische Erhebungen. Aber es gibt natürlich immer Bedenken in Bezug auf die Anonymisierung. Es ist eh schon Usus, Daten herzugeben, aber es wird den Leuten gleichzeitig bewusster, was mit diesen Daten möglich ist. Bisher wurden die Informationen eben in Richtung Verwaltung gegeben, und die hat das irgendwie aufbereitet. Wenn diese Daten aber zeitnah zurück in die Öffentlichkeit gehen, müssen Datenschutz und Privatsphäre oberstes Gebot sein.

STANDARD: Wie motiviert man Bürger, ihre Erfahrungen - etwa mit der Mobilität oder dem Sparen von Ressourcen - zu teilen?

Schieferdecker: In den USA stellen private Nutzer schon Umweltinformationen aus ihrem Lebensbereich zur Verfügung. In einem Projekt des MIT geben Bürger ihre Einschätzung zur öffentlichen Sicherheit ab. Ich denke, nur wenn der Mehrwert für die Leute klar ist, werden sie sich auch beteiligen.

STANDARD: Werden Städte dadurch nicht auch zu Systemadministratoren, die sich um die Sicherheit der Daten kümmern müssen?

Schieferdecker: In erster Linie geht es nicht um die Sicherheit, sondern um die Qualität der Daten. Städte müssen wohl dafür sorgen, dass Informationen dann zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden. Aber wichtiger ist, dass Aussagen, die daraus abgeleitet werden, korrekt sind.

STANDARD: Gibt es für die Smart-City-Strategie ein ländliches Pendant? Oder geht man einfach davon aus, dass in Zukunft ohnehin fast jeder im urbanen Raum lebt?

Schieferdecker: Der Punkt ist, dass man bei der urbanen Forschung Probleme auf engem Raum sehr ausgeprägt sieht. Die Lösungen werden dennoch nicht direkt übertragbar sein. Ich denke aber, sie können Hinweise für ländliche Bereiche geben, und ich hoffe, dass in Folge noch Strategien für den ländlichen Raum entwickelt werden.

STANDARD: Existiert zwischen Stand und Land nicht auch ein Gefälle bei der Technologienutzung?

Schieferdecker: Das hängt nur davon ab, wie gut Regionen versorgt sind. Natürlich gibt es noch blinde Flecken beim schnellen Internet. Dann ist es schwierig zu argumentieren, dass bessere Informationen ein Umdenken auslösen. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, 4.7.2012)