Nicht nur eine, sondern gleich zwei farbenfröhliche Terrassen bietet das neue Freyung 4 im Hof des Palais Kinsky.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wenn einem das Wasser im Mund zusammen läuft: Seesaibling mit Karfiolpüree.

Beide Fotos stammen von: Gerhard Wasserbauer

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Palais Kinsky auf der Freyung hat einen herrschaftlichen Innenhof. Weil oben nur Büros und Geschäftsräume sind, bietet er sich in Sommernächten als idealer Rückzugsort für jene an, denen die behördliche Gastgarten-Sperrstunde stets dann eingeläutet wird, wenn es endlich anfangen könnte, ein bisserl lustig zu sein.

Das will Christian Wukonigg, der das soeben eröffnete "Freyung 4" mit Daniela Knor und Stefan Svoboda betreibt, auch explizit so verstanden wissen. Die weitläufige Terrasse, auf grellbuntem Waschbeton und mit ebenso gepolsterten Bänken versehen, ist dementsprechend als Herzstück des Lokals gestaltet. Bis ein Uhr früh kann hier ganz nonchalant gescherzt, geblödelt und geflirtet werden, ohne dass sich jene Mitmenschen gestört fühlen, die ungemütlich hart an ihrer Nachtruhe arbeiten müssen.

Schillernde Hülle...

Aber auch tagsüber darf das mondäne Publikum ganz unter sich sein. Schon in den ersten Tagen schien sich nämlich festzumachen, dass dies ein besonders geeigneter Ort ist, um das federnde Tänzeln des Schritts, die Akkuratesse der Bügelfalte, den Sitz der Gelfrisur (für Bedürftige: Nobelfriseuse ist im Haus) - kurz, die ganze ausgesuchte Sicherheit des eigenen, gemeinsamen Stils - unter seinesgleichen vorzuführen. Selbstredend behandelt der gut aufgestellte Service aber auch solche Gäste zuvorkommend, denen die Gnade der schillernden Aufmachung nicht in dieser Fülle zuteil wurde.

Die Speisekarte darf sich dagegen zurücknehmen - allzu ausgeklügelte Kreationen würden Gefahr laufen, vom Wesentlichen abzulenken. Es gibt vorhersehbare Klassiker, die nicht nur Wiener Schnitzel oder gekochtes Rindfleisch umfassen, sondern auch unerschütterliche Grundpfeiler der Szeneküchen zwischen Wien und Gigritzpotschen: Beef Tartare, eh klar, oder geschmorte Rindswangerln mit Erdäpfelpüree. Es gibt aber auch sehr hübsch marinierte Salate, mit Ente und Mango oder Wildkräutern und Scampi - wobei sich, uijegerl, Letztere auf dem Teller nur als Garnelen erweisen. Immerhin: Die Kräuter sind frisch und von widerspenstiger Bissfestigkeit, die Wildwuchs vermuten lässt.

...dezent-delikate Fülle

Seesaibling kommt hingegen brav pochiert auf Karfiolpüree mit "Pumpernickelcrunch" zu Tisch - nur knusprig ist der nicht. Ohne entsprechenden Texturkontrast erinnert so ein Gericht aber schnell einmal an Spitalsverpflegung, wenn auch aus der Wellnessklinik. Risotto, nachsaisonal mit Spargel, wird als Verwandter des Milchreises interpretiert. Doch danach kräht kein Gockel mehr, wenn nur die Abende weiter so lau bleiben, wie sie das in diesem Sommer sein dürfen. Und der Wein so gut gekühlt und das Bier so prompt gezapft, wie das auf der Freyung Nummer vier ab nun zum guten Ton gehört. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 6.7.2012)