Ein Ehepaar aus der Schweiz, ein junger Mann aus Saudi-Arabien, viele Touristen und ein paar Einheimische: Zahlreiche Fahrgäste hat Georg Bacher seit Ende April mit seinem Wiener Radtaxi durch die Innenstadt kutschiert und ihnen während der Fahrt die Sehenswürdigkeiten nahegebracht, die am Straßenrand vorbeiziehen. Nun rollt er auf die Wallnerstraße zu.

Foto: derStandard.at/tinsobin

Noch schnell ein Blick unter den Sitz, wo sich der E-Motor befindet, der bei Bedarf zugeschaltet wird, dann heißt es Platz nehmen.

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Das Radtaxi ist eine 75 Kilogramm schwere Stahlrohrkonstruktion mit sieben Gängen. Sie bietet komfortabel Platz für zwei Fahrgäste. "Es gibt allerdings keine Zulassung dafür", erklärt Bacher, "ich kann so viele Menschen fahren, wie Platz haben." Die Rikscha verfügt auch über ein Dach, das über ein relativ massives Gestänge zu bedienen ist. Bacher führt es aber nur selten mit, denn an regnerischen Tagen bleiben die Rikscha und ihr Fahrer zu Hause. Heute passt das Wetter, und die Fahrrad-Redakteurin lässt sich durch die Innenstadt kutschieren.

Noch schnell ein Beweisfoto, und los geht's ...

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... um die erste Kurve hinein in die Herrengasse. Ein ungewohntes Gefühl, einmal nicht selbst in die Pedale zu treten, sondern sich fahren zu lassen. Ob ich ab jetzt nur noch den Rücken meines Chauffeurs sehe? Mitnichten, denn dieser dreht sich immer wieder um, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erklären. Ich fühle mich trotzdem sicher. Wie das Fahrgefühl für den Chauffeur ist? "Das Gewicht der Passagiere spüre ich erstaunlicherweise überhaupt nicht", meint dieser. "Ohne Akku würde es auch gehen." Aber halt mit mehr Einsatz von Muskelkraft, was an heißen Tagen außerordentlich kräftezehrend ist.

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Binnen weniger Minuten habe ich mich an das Fahrgefühl gewöhnt und lasse mich durch die Innenstadt chauffieren. Wir kommen zum Michaelerplatz mit Loos-Haus und Michaelerkirche, holpern über das Stöckelpflaster des ersten Wiener Kreisverkehrs von 1927, wie Georg Bacher erklärt. Krakel auf dem Papier ...

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Es geht unter der Kuppel der Hofburg durch, dann einmal über den Heldenplatz und wieder retour. "Über die Hofburg könnte ich Stunden reden", muss sich Georg Bacher in Zaum halten. Neben seinem Brotberuf und seiner Tätigkeit als Radtaxi-Fahrer studiert er auch noch Geschichte und weiß deshalb eine Menge über die Stadt zu berichten. Dafür hält er immer wieder kurz an, zeigt und erklärt.

Eine einstündige große Stadtrundfahrt kostet 45 Euro, die kleine, halbstündige, 29 Euro. Wer nur von A nach B will, kann aber auch eine ganz einfache Fahrt buchen. 

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Neun Euro für zwei Personen pro Fahrtdauer bis zu zehn Minuten zahlt man für eine Strecke von A nach B. Für längere Fahrten verrechnet Bacher einen Stundensatz von 39 Euro. "Ich möchte erreichen, dass die Rikscha als alternatives Verkehrsmittel in der Stadt Einzug findet", sagt der Jungunternehmer, "deshalb soll es erschwinglich bleiben."

Wir sind vor der Albertina angekommen: "Erzherzog Albert begann mit der grafischen Sammlung, und bereits im 18. Jahrhundert gab es hier ein Museum, allerdings nur für diejenigen, die Schuhe besessen haben", erzählt Georg Bacher.

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Ein Grüppchen Touristen vor der Kaisergruft am Neuen Markt.

Sehen und gesehen werden ist das Motto, wenn man sich am breiten Sitz hinten am Fahrrad durch die Stadt kutschieren lässt. Manche Passanten winken, andere wollen im Vorbeifahren die Kontaktdaten von Georg Bacher wissen. Wie er auf das Fahrradtaxi gekommen ist? Zum einen sieht der passionierte Radfahrer das Fahrrad generell als perfektes Fortbewegungsmittel, ja, als die Zukunft der Fortbewegung in der Stadt, zum anderen ist er ein kontaktfreudiger Mensch, der sein Wissen gerne weitergibt.

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5.000 Euro hat er in sein Fahrradtaxi investiert. Er hat verschiedene Modelle angeschaut, eines vom deutschen Rikscha-Bauer Stefan Rickmeyer hat ihm schließlich schlicht und einfach am besten gefallen.

Diese Rikscha ist etwas kleiner als das ebenfalls in Wien zu sichtende "Faxi" und nur halb so teuer. "Ich habe wenig Kostenaufwand im Vergleich zu einem Auto", sagt Bacher, "die einzigen Kosten verursachen Strom, Service und die Versicherung."

Wir steuern auf das älteste evangelische Kirchengebäude in Wien zu. Die Reformierte Stadtkirche wurde im 18. Jahrhundert errichtet.

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Durch Innenstadt-Gässchen fahren wir an der Pestsäule vorbei zur Peterskirche. An der Stelle des Barockbaus stand im vierten Jahrhundert die älteste Kirche Wiens.

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Stau auf der Brandstätte, deren Name von einem verheerenden Brand im Mittelalter stammt. Hier kommt auch die Fahrradrikscha nicht mehr vom Fleck.

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Es bleibt Zeit für eine ausgiebige Betrachtung des Zacherlhauses, das 1905 von einem slowenischen Architekten für den Fabrikanten Johann Zacherl errichtet wurde, der mit dem Insektenpulver "Zacherlin" Furore machte.

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Der Stephansplatz ist einer der bevorzugten Standplätze für Georg Bacher - stark frequentiert und allen bekannt. Hier gibt es wieder eine Menge an Stadtgeschichte wie die Zerstörung des Stephansdoms im Zweiten Weltkrieg, wobei die erste - die josephinische - Pummerin hinuntergefallen ist.

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Es geht weiter in Richtung Hoher Markt hinter einem Fiaker her. Wie sieht die Beziehung zu diesen aus? "Das sind sehr angenehme Leute", sagt Georg, "und ich bin auch keine direkte Konkurrenz."

Wir rumpeln weiter hinter dem Fiaker auf die Ankeruhr zu ... 

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... und warten. Um 17.04 Uhr - pünktlich ist was anderes - beginnt die Glocke zu schlagen, doch König Rudolf zeigt sich auch fünf Minuten später noch immer nicht. Ein zaghaftes Ruckeln und - nichts. Das von Franz Matsch gestaltete Kunstwerk dürfte stecken geblieben sein.

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Jetzt heißt es eine Eis-Pause am Hohen Markt einlegen. Ein gutes Schloss ist das Um und Auf, um möglichst lange im Besitz der Rikscha zu bleiben. Sie ist zwar versichert, aber Georg Bacher stellt sie trotzdem immer in Sichtweite ab. Versichert sind auch die Passagiere - Bacher: "Das muss man nicht machen, aber es ist mir wichtig."

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Egal ob Eis oder Würstelstand, "wenn jemand einkehren will, bin ich natürlich dabei", sagt der Rikschafahrer. Danach führt die Tour über die Tuchlauben wieder zurück in die Wallnerstraße.

Fazit: Es macht Spaß, mit dem Wiener Radtaxi herumchauffiert zu werden. Vorausgesetzt, man lässt sich gern anschauen und schaut selbst gerne an. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 19.8.2012)

wienerradtaxi.at

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