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Intendant Alexander Pereira - ein Freund der kalkulierten Dramatik.

Foto: ap / Lilli Strauss

Salzburg - Es war beileibe nicht das erste Mal, dass Salzburg die interessierte Kulturöffentlichkeit mit einem Skandal umsorgte. Eine so pfiffige Eklat-Dramaturgie - im Sinne spannungsaufladender Werbeeffekte für die Salzburger Festspiele - hat es seit Gerard Mortiers Intendanz jedoch nicht gegeben: Nur wenige Wochen vor Festspielbeginn platzte der neue Festspiellenker, Alexander Pereira, mit einer Rücktrittsdrohung heraus und stellte damit einen Rekord in Aussicht. Noch nie war ein Intendant vor seiner ersten Saison aus dem Amt geschieden. Und schon gar nicht, weil das irritierte Salzburger Kuratorium dessen Pläne als gar zu ambitioniert klassifiziert hatte.

Konkret: Für 2013 wollte Pereira eine Ausweitung des Budgets auf 64 Millionen Euro bewilligt bekommen. Dem Kuratorium jedoch erschien das schnelle, üppige Wachstum, das Pereira über neue Sponsoren und nicht durch Subventionserhöhung erreichen wollte, zu riskant. Drama! Auch wenn der Intendant seine Rücktrittsdrohung bald abschwächte (Standard-Interview am 23. 6.) und sich im Vorfeld der donnerstägigen Kuratoriumssitzung der nun eingetretene Kompromiss abgezeichnet hatte, entbehren all diese Vorgänge nicht einer gewissen Ironie, die auf Strukturbesonderheiten hinweist.

Hat man Pereira in Salzburg nicht als jenen Umtriebigen engagiert, der dafür bekannt ist, von seinen globalen Geldsuchreisen mit vollen Taschen zurückzukehren? Und hat man im Rahmen der Bewerbungsrituale nicht so etwas wie ein Konzept von Pereira verlangt, aus dem zumindest die auf Wachstum angelegten Grundzüge seiner Pläne, über die man nun so erschrak, hätten erkannt werden können?

Insofern ist Pereiras Verwunderung über den Stil des Kuratoriums verständlich. Er ist zwar nicht der Erste, der eine Steigerung der Personalkosten bei gleichzeitiger Stagnation der Subventionen (durch die jährliche Inflation ist es sogar eine Reduktion) beklagt hat. Auch früher hat sich die Politik in diesem Punkt einsichtslos gezeigt.

Pereira ist allerdings der erste Intendant, der auf diese Situation mit einer Ausweitung des Festivals reagiert. Mit einer Flucht nach vorn will er durch eine Erhöhten der Kartenpreise, mehr Veranstaltungen und mehr Sponsorengeldern die Budgetprobleme, die er sieht, lösen. Auch dies jedoch wollte man ihm im geforderten Ausmaß nicht gewähren. Das ist natürlich paradox und etwas unlogisch, allerdings bleibt die Welt ganz. Der so offensive wie schlau mit Verbaleffekten kalkulierende Pereira ist auch ein Übertreibungskünstler, der für das Erreichen von Zielen gerne auf Dramatik setzt, um dann ein wenig nachzugeben. Zudem: Er hat bisweilen den zweifelhaften Eindruck erweckt, einen winzigen Festivalpflegefall übernommen zu haben und nicht einen der schon bisher größten Mehrspartentanker, der in den vergangenen Jahren immer Überschüsse erwirtschaftet hat.

Ein Kompromiss ist nun da. Das Wachstum wird gebremst. Man wird sehen. Jetzt muss Pereira mit dem schon erweiterten Programm 2012 beweisen, dass seine Ambitionen nicht rein quantitativer Natur sind und seine Vision von Salzburg als ästhetischer Orientierungspunkt mit Signalwirkung künstlerische Früchte trägt. So ihm das gelingt, werden auch andere Probleme leichter zu beseitigen sein. Und wenn nicht, wenn die Festspiele irgendwann in Geldnöte gerieten, ist auch nicht alles aus. Gestaltungskraft muss sich im Zweifelsfall in Qualität und nicht in " Expansionitis" ausdrücken.  (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 27.7.2012)