Salzburg - Langsam kann man den Eindruck gewinnen: Es gibt bei den Salzburger Festspielen durchaus Grenzen des Publikumswachstums. Ob bei der Eröffnung der "Ouverture spirituelle" oder beim ersten Konzert von Salzburg contemporary mit Dirigent und Oboist Heinz Holliger - einige leere Plätze konnten gar nicht übersehen werden (was nicht gegen Qualität und Notwendigkeit der Abende spricht). Besonders deutlich trat dieses Leerephänomen bei Mozarts "Il re pastore" in Erscheinung. Trotz Tenor Rolando Villazón im Haus für Mozart.

Wenn einer der aktuellen und für Qualität bürgenden Stars der Opernwelt einen Abstecher in die Kollegienkirche unternimmt, wo Salzburg contemporary quasi eine wichtige Basis hat, tritt dieses Problem natürlich in den Hintergrund (15 Minuten vor Konzertbeginn waren sogar die Programmhefte vergriffen und mussten nachgeliefert werden).

Da Elina Garanca allerdings vor der Pause antrat, um Luciano Berios "Folk Songs" umzusetzen, schien es interessant zu sehen, wer danach zurückkehren würde, um den konzentriert umgesetzten "Rest" des Klangforum-Wien-Konzertes zu erleben. Und siehe da, die Moderne funktioniert in Salzburg nicht so übel; es waren die meisten geblieben, um Lutoslawskis impressionistisch angehauchte Fragmente für Flöte und Harfe zu hören.

Und sie erlebten auch die kurz ins Fließen geratenden Strukturen von Pierre Boulez' "Derive" und Niccolo Castiglionis "Risognanze für 16 Instrumente", deren an Webern angelehnten Minimalismus Dirigent Pablo Heras-Casado delikat betreute.

Garanca hatte zuvor Berios Neubefragung alter Songs respektabel umgesetzt. Da der hallige Kirchenraum schon für ausreichend Strahlkraft sorgt, hätte sie allerdings besser auf jegliches Vibrato verzichtet. Es wäre dadurch die Magie ihres Timbres mit diskreter Klarheit ausgestattet worden. So klang manches etwas gar opernhaft üppig.

Am besten, da intimsten, noch das melancholische "Motettu de tristura", bei dem Intensität zierlich hergestellt wurde. Zudem herrschte eine ideale Balance zwischen Stimme und Klangforum. Dort, wo Berios Ideen vom Klangforum einen etwas extrovertierteren Zugriff verlangen (etwa bei "A la femminisca"), ging Garanca mit ihrer Kunst ein wenig im Orchestersound unter. In der Kollegienkirche funktioniert das Filigrane eben am besten. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 2.8.2012)