Auf den Spuren des Malerstars Francis Bacon: Ismael Ivo nimmt die Schrecken des 20. Jahrhunderts auf sich.

Foto: Judith Lutz

Wien - Es ist absolut keine abwegige Idee, wieder einmal eine Arbeit des aus Kärnten stammenden Choreografen Johann Kresnik im Zusammenhang des Gegenwartstanzes zu zeigen. Impulstanz präsentiert nun das Stück "Francis Bacon" des heute 72-Jährigen im Odeon: als Neufassung einer ersten Version, die das Festival 1994 über die Bühne des Wiener Volkstheaters tanzen ließ.

Seither hat Kresnik wiederholt in Wien aufgeführt. Zum Beispiel sein "Wiener Blut" 1999 im Burgtheater oder sechs Jahre später "Spiegelgrund" von Christoph Klimke, ebenfalls im Volkstheater. "Francis Bacon" gehört zu einer Werkreihe, in der sich Kresnik mit herausragenden Persönlichkeiten beschäftigt hat, von Frida Kahlo über Sylvia Plath bis zu Ulrike Meinhof und Hannelore Kohl.

Die ursprüngliche Bacon-Fassung lebte von der extremen Spannung zwischen den beiden Hauptfiguren, die der dämonische Afrobrasilianer Ismael Ivo und der damals langhaarige, blonde Finne Tero Saarinen tanzten. Aus dem damaligen Trio zusammen mit Mara Borba ist nun ein Quartett geworden, in dem Ivo zusammen mit Elisabetta Violante, Valentina Schisa und Giuseppe Paolicelli auftritt.

Kresnik hat nun zwei markante Schärfen weggenommen: das effektvolle Gegensatzpaar - Paolicelli ist eine eher unauffällige Präsenz - und die Singularität der Frau auf der Bühne. So dominieren in der Neufassung die sensibleren Passagen des Stücks. Immer wieder werden da drei in eine Metallwand eingelassene Metallliegen auf- und wieder zugeklappt.

Dieses manische Öffnen und Schließen wächst sich mit der Zeit zu einem Hauptmotiv aus, vor allem weil die als starke Bilder gesetzten Szenen - eine messerwetzende Tänzerin mit Beinstümpfen, die beiden Männer, die mit ihren Zähnen an einem Stück Beuschel reißen, der schreiende Papst - eher verhalten daherkommen. Im Vergleich etwa mit Fabres bildwütiger "Orgy of Tolerance" wirkt Kresnik beinahe dezent.

Leidensmann und Gespenst

Ismael Ivo hatte es zu Beginn der "Francis Bacon"-Premiere offensichtlich schwer, in das Stück hineinzukommen. Doch das änderte sich im Verlauf des Abends. Aus dem Tänzer wurde jene Mischung aus Leidensmann und Schreckgespenst, die für die Bildwelt des Iren Bacon charakteristisch ist. Dieser hatte sich in einer Gemäldeserie mit Velazquez' Porträt des päpstlichen Machtpolitikers Innozenz X. (1574-1655) beschäftigt. Bacons schreiender Papst gilt heute als eine Ikone der Malerei des 20. Jahrhunderts.

Für Kresnik ist das eine Nummer zu groß. Trotz aller Bemühung schafft er es nicht, eine plausible Analogie zu Bacons vergitterter, rissiger Bildstruktur herzustellen. Dafür fehlt ihm nicht der Mut, sondern schlicht das nötige künstlerische Instrumentarium. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 10.8.2012)