Montage: diestandard.at/Foto: Rossbacher

Eigentlich wollten wir diese Werbung ja ignorieren, zu dreist erschien uns ihr Ansatz, zu blöd ihr Sprachgebrauch. Doch dann kamen so viele "Boah"-Zuschriften von LeserInnen, weshalb wir uns doch eines Besseren belehren ließen: Diese Kampagne reizt neue (Geschmacks-)Grenzen aus.

Der Grund dafür liegt wohl in der Breitenwirksamkeit, die eine Großplakat-Kampagne entfaltet: Papa und Sohn stehen davor und würden gern wissen, was sie mit dieser Alki-Anrufung im Jahr 2012 anfangen sollen. Frauen allen Alters fragen sich, ob sie ihr Leben ohne die Likör-Firma verkraften können.

Wissen aus der Werbung

Sie können. Und weil wir nicht argumentativ auf Einpeitschungsslogans wie "Sei ein Mann" eingehen wollen, stellen wir lieber die Frage, wie es am Werbemarkt bloß so weit kommen konnte. Denn eines ist klar: Die explizite, äußerst klischeehafte Anrufung von "Männern" aber auch "Frauen" (siehe der Zalando-Spot, Sixx, diverse Spielzeug- und Schokoladehersteller) nimmt in den letzten Jahren stetig zu.

Die Gründe dafür sind recht unterschiedlich. So gibt es zum einen die wissenschaftliche Erklärungsschiene für unterschiedliche Produktdesigns, hinter der ein ganzer Industriezweig steckt. Hier wird Recherche betrieben, wer welches Produkt wann kauft und zu welchem Zweck. Deshalb sehen Rasierer für Männer ja auch so anders aus als die für Frauen. Scherz beiseite. 

Mitnaschen am Aufreger

Der andere ist - unsere Vermutung - der Anti-Political-Correctness-Reflex, der in unserer Gesellschaft seit ein paar Jahren fröhliche Urständ' feiert. "Man wird doch wohl noch sagen dürfen", "wir werden wohl noch unser Ding machen dürfen" heißt es immer öfter, wenn der vermeintliche Zeitgeist der "Gleichmacherei" angeprangert werden soll. Bei dieser Emotionalität wollen Unternehmen für die eigenen Kampagnen natürlich mitnaschen. Und nur, weil man(n) selbst freiwillig zur Pediküre geht und die Freundin mehr säuft als man selber, heißt das noch lange nicht, dass das auch so sein sollte.

Das geht nicht, das ist unübersichtlich und das macht es den Unternehmen wirklich schwer, die (zuerst selbst kreierten) Zielgruppen zu bedienen. Mit den neuen, alten Geschichten über das Mann- und Frausein erhofft man sich, diese alten Gedächtnisstützen vor dem Einstürzen bewahren zu können.

Das Blöde daran: Sie machen ihre Brüchigkeit erst recht sichtbar. Denn wer bräuchte schon solche Brachialklischees auf Riesenleinwänden, wenn sie selbstverständlich wären? Eben. Wir sind nicht böse. Kippt euch ruhig noch einen hinter die Binde. Hier habt ihr auch noch eine Zitrone dazu. (freu, dieStandard.at, 14.8.2012)