Auch der letzte Stuhl fällt bei dieser Revolution: Boris Pfeifer knackig-konzentriert als Che.

Foto: Husar

Baden bei Wien - Beim Musical, dem statt Champagner lieber Cola trinkenden Töchterchen der Operette, wird die Bühne gern mit kitschnahem Meublement angeräumt und die ganze Farbskala des Regenbogens durchgeorgelt. Nicht so im Stadttheater Baden. Bei Evita ist oft nur eine monochrom bestrahlte Rückwand mit etwas Vorhang links und rechts zu sehen: Robert Herzl goes Robert Wilson, light.

Die Inszenierung des Hausherrn, die 2006 Premiere hatte, sollte von jedem Musiktheaterregiestudenten verpflichtend besucht werden, demonstriert sie doch größte Handwerkskunst in beinahe jedem bühnenkünstlerischen Gewerk - sei es die wundervoll klare, klassische Kostümsprache von Friederike Friedrich oder die witzige, kluge und präzise Choreografie (Rosita Steinhauser).

So erreicht das Bild des "Reise nach Jerusalem" spielenden Offizierskorps die Eleganz früher Bond-Filme; das Mit- und Umeinander des skurrilen Aristokratenhäufleins und der quadratisch-eckig agierenden Soldateska erinnert an große Hollywood-Musicalproduktionen der 1950er-Jahre.

Auch besetzungstechnisch ist die Unternehmung ein Hammer: Schon als zu Beginn Reinwald Kranner mit der gewinnendsten schleimigen Eleganz und den elastischsten Stimmbändern ever die erste Nummer des Augustin Magaldi gibt, ist man platt vor Staunen. Knackig-konzentriert: Boris Pfeifer als Che (nur die erste Tanzeinlage bitte, bitte streichen).

An den säuselnden, schlenkernden Poloclubbesitzer-Charme von Franz Csencsits (als Juan Perón) muss man sich etwas gewöhnen. Jeder Zoll ein Star, als Ikone jedoch etwas überzeugender denn als quirlige Latein-Tänzerin: Maya Hakvoort als Evita. Der Chor bringt die variablen Musiken von Andrew Lloyd Webber kraftvoll, kompakt und deutlich über die Rampe; okay das Orchester der Bühne Baden (Leitung: Oliver Ostermann). Auf nach Baden, um Augen und Ohren zu laben.   (Stefan Ender, DER STANDARD, 17.8.2012)