Ob ein Kind mit Entwicklungsproblemen eine Therapie machen kann, hängt in Österreich nach wie vor vom Wohnort und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ab. Oft gibt es nur Therapieplätze im niedergelassenen Bereich. Nach Erhebungen des Kinderarztes Rudolf Puspök (Interview Seite 61) hängt die Höhe der Erstattung und des Zuschusses von der Krankenkasse ab. Die Deckung des Bedarfs im institutionellen Bereich ist nicht annähernd gegeben. Ein Beispiel: Bei Logotherapie entspricht er in Wien zehn, im Burgenland nur drei Prozent. Dabei ist diese Therapieform genauso wie Physio-, Ergo-, und Psychotherapie im Allgemeinem Sozialversicherungsgesetz einer ärztlichen Behandlung gleichgestellt.

Abseits von den Therapiemöglichkeiten stehen Familien mit behinderten oder chronisch kranken Kindern vor weiteren Hürden: Karin Formanek, deren Sohn mit acht Jahren die Diagnose "Kinderrheuma" gestellt bekam und die Gründerin einer Selbsthilfegruppe für rheumatische Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist, kennt Geschichten, wonach ein Kind achtmal am Knie operiert worden ist, bis es endlich die richtige Diagnose erhielt. Ist diese dann einmal da, habe das Umfeld - Mitschüler, Lehrer etc. - oft Probleme, zu verstehen, wie die Krankheit jemanden beeinträchtigt. Formaneks Sohn bekommt Physio- und Ergotherapie. Einmal im Jahr fährt sie mit ihm nach Garmisch-Partenkirchen - in eine reine Kinderrheumaklinik, wie es sie in Österreich nicht gibt. Lücken gibt es auch bei "ganz normalen" Betreuungsangeboten: Irene Promussas, Gründerin der Selbshilfegruppe Lobby4kids, hat als Mutter einer Tochter mit seltener Stoffwechselerkrankung darum gekämpft, dass ihre Stella in einen Regelkindergarten kommt. Im Gegensatz zur Pflichtschule besteht kein Recht auf einen Platz dort - genauso wenig wie für Horte. In Kindergärten und bei der Nachmittagsbetreuung würden Kinder oft abgelehnt, weil viele Handgriffe ein rechtliches Problem darstellten.

Jedem Kind, das in eine Sondereinrichtung komme, sei es nachher aber in der Regel nicht mehr möglich, es in den anderen Bildungsweg zu schaffen. Promussas ist der Meinung, dass die Inklusion aller Kinder ins Regelschulsystem möglich ist. Derzeit sei es aber immer an der Schulleitung und dem Personal gelegen, ob Kinder mit Behinderungen oder Krankheiten auch das Angebot erhalten, das ganz gesunde Kindern offensteht. Das ist immer ein "Gnadenakt", sagt Promussas, "und das gehört ganz dringend geändert". (spri, CURE, STANDARD, August 2012)