"This is how you will disappear": Jonathan Capdevielle als Trainer, Margrét Sara Gudjónsdóttir als Athletin, Jonathan Schatz.

Foto: Kirchner

Salzburg - Im Wald, da sind bekanntlich die Räuber. Und nicht nur sie, sondern auch der böse Wolf, der dem Rotkäppchen auflauert, und die Hexe, die den Hänsel mästet. Falco schleppte einst Jeanny in den Wald. Und in der Inszenierung von Claus Guth bildete ein supernaturalistischer Wald das letzte Refugium des fixenden Frauenhelden Don Giovanni.

Das war im Salzburger Festspielsommer 2008. Zwei Jahre später präsentierte Gisèle Vienne, eine französisch-österreichische Choreografin und Regisseurin, beim Festival von Avignon ihre Arbeit This is how you will disappear. Schauplatz diverser rätselhafter Triebsituationen ist ein supernaturalistischer Wald.

Er war bereits beim Steirischen Herbst 2010 zu bestaunen. Dennoch wurde Gisèle Vienne, die im Tanzquartier Wien und beim Donaufestival gastierte, mit ebenjenem supernaturalistischen Wald zum Young Directors Project der Festspiele eingeladen. Im Gegensatz zu den anderen beiden Teilnehmern im Wettbewerb um 10.000 Euro und einen exklusiven Füller von Montblanc durfte Vienne sogar zwei Produktionen zeigen. Sie ähneln sich in Bezug auf Ästhetizismus, Banalität, Künstlichkeit und gepflegte Langeweile.

Éternelle Idole spielt auf einem Eislaufplatz - und ist daher bis 22. August in der Salzburger Eisarena zu sehen. Etwa 20 junge Schlittschuhläuferinnen, alle gleich kostümiert, drehen ein paar Runden, danach trainieren zwei Eishockeyteams. Im Zentrum aber steht eine blonde Eiskunstläuferin (Aurore Ponomarenko) im strahlend weißen Röckchen, die unter den Anweisungen ihres Trainers (Jonathan Capdevielle) ihre Pirouetten und Figuren perfektioniert. Zu bombastischen Synthesizer-Kompositionen von Stephen O'Malley und Peter Rehberg, ergänzt um verzerrte Geräusche, türmen sich Nebenschwaden sonder Zahl auf, bis ein niedliches Ufo gelandet ist.

Der Trainer erscheint auch im Republic, im Wald von This is how you will disappear. Diesmal leistet er einer Athletin (Margrét Sara Gudjónsdóttir), ebenfalls im sexy Röckchen der Unschuld, Hilfestellung bei Dehnungsübungen und Sit-ups. Wieder wabernder Nebel, wieder thrillerartige Musik, Wände aus Sound, wieder ein perfekter Körper, wieder abgezirkelte Bewegungen. Und der Sündenfall: Der Turnerin misslingt ein Rad. Aus dem Off spricht eine Stimme, jene des Trainers: "Be perfect today or I will kill you and throw your body in the river."

Dazu kommt es zwar nicht. Aber ein Rockstar, der sich, weil er seine Freundin umgebracht habe, ohnedies das Leben nehmen will, wird vom Trainer übel zugerichtet. Dann erscheint wieder die Turnerin, nun in blauer Kapuzenjacke - und ein Vogel flattert herum. Alles mysteriös, hohl, auf den Effekt hin inszeniert. Vienne hat vielleicht zu viel David Lynch gesehen. Und zu viel John Carpenter (The Fog - Nebel des Grauens). Äußerst verhaltener Applaus. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, 20. 8. 2012)