Hallein - Neapolitanische Spitzenköche leben gefährlich. Sie werden von ihren eigenen Verwandten aus dem Restaurant vertrieben und in einer mickrigen Jolle am offenen Meer ausgesetzt. Der böse Bruder will der Chef am Herd sein. Dabei sollte, fragt man sich, in Italien "la familia" doch alles sein?!

Prospero, der "König der Pasta", sitzt jetzt allein mit seiner Tochter Miranda irgendwo im Mittelmeer auf einer Insel fest und wird seinem (warum auch immer) vorbeisegelnden, machtgierigen Bruder Antonio eine "stürmische" Lektion erteilen. Mit Zauberkräften wird er die Besatzung das Fürchten lehren. Soweit Irina Brooks Neudeutung von William Shakespeares Sturm in einer französischen Fassung bei den Salzburger Festspielen auf der Perner-Insel. Und tatsächlich könnte diese slapstickhafte Nummernrevue als Club-Med-Abend durchgehen:

Vor einer Gerümpelküche am Strand servieren der Pasta-König und seine Gehilfen Ariel und Caliban der Miranda zum 30. Geburtstag einen herbeigezauberten Kuchen. Doch bei aller Bescheidenheit, in die sich die Frau in den vergangenen 27 Jahren hier gefügt hat, möchte Miranda nun endlich lieber einen Mann kennenlernen. Da tauscht der Papa den Schneebesen gegen den Zauberstab (den hat er nun einmal), lässt oben genanntes Schiff kentern und die Mannschaft unversehrt ans Ufer spülen. Der schaumgeborene Ferdinand trägt Hornbrillen und muss sich alsbald mit einem 1a-Spaghetti-Rezept als Schwiegersohn bewähren.

Irina Brook, die mit gleich zwei Produktionen heuer den Einstand bei den Festspielen feierte, greift dafür - nach ihrem Peer Gynt-Musical im Juli - wieder tief in die Klamottenkiste und opfert einer unerhört nichtssagenden Zauber-Slapstick-Zirkusshow gleich das ganze Drama. Eine Reihe matter Gauklerspäße sollen das märchenhafte Stück ersetzen, doch die Kunststücke stehen jeweils mehr für sich: eine Jongliernummer in der Küche, eine bescheidene Slapsticknummer zu zweit in einem Kostüm (Caliban und Trinculo), schlampiges Objekttheater und eine das alles irgendwie verbindende Musik für bestimmte Lebenslagen. Beim Festival Szene bunte Wähne hätte diese Produktion nicht die geringste Chance.

Gänzlich neuer Text

Erstaunlich ist, wie gleichgültig die Regisseurin jenem Schriftsteller gegenüber ist, den sie, wie im Programmheft steht, im Original zu lesen vermag. Denn La Tempête ist ein gänzlich neuer Text, der sich bis auf Mirandas Verheiratung für nicht sehr viel mehr im Sturm interessiert. Insbesondere bleibt der Kampf um die Macht, um das dem Königreich Neapel untergeordnete Herzogtum Mailand, links liegen. Ach ja: Der Herzog von Mailand ist ja auch zum König der Pasta geschrumpft. In diesen Größenordnungen taugen Shakespeares Witze freilich nicht mehr. Im Sturm geht es nicht zuletzt darum, der Macht eins auszuwischen, einen ganzen Hofstaat im Meer zu versenken. Auch um die Lächerlichkeit von Herrschaft, die sich daran zeigt, dass einer auf einer einsamen Insel sein neues Königreich lediglich mit Geistern als Untertanen gründet.

Man könnte angesichts dieser Inszenierung auch kindisch annehmen, Irina Brook wollte ihrem Vater, Regielegende Peter Brook, eins auswischen, hat der prominente Shakespeare-Exeget doch insbesondere mit seinen Sturm -Inszenierungen Geschichte geschrieben.

Hier, in der am Premierenabend nicht gefüllten alten Salinenhalle, fallen Koch Prospero und Bruder Antonio einander ohne Aufsehen verzeihend in die Arme. In der heimischen Trattoria wird unter diesen Umständen schon Platz für zwei sein. Doch der Maître bleibt allein auf der Insel zurück und legt eine traurige Schallplatte auf. Darum bitte, liebe heimische Spitzengastronomen: Seid lieb zueinander. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 27.8.2012)