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Nicholas Ofczarek stirbt zum letzten Mal als Salzburger "Jedermann" - und wird 2013 dennoch wieder an die Salzach zurückkehren.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg - Eigentlich weiters kein Wunder, dass sich der Schauspieler Nicholas Ofczarek diesen Sommer kaum in Salzburg hat sehen lassen - außer natürlich bei seinen umjubelten Jedermann-Vorstellungen. Und davon gab es heuer bekanntlich nach dem Willen des Intendanten Alexander Pereira mehr als bisher. Doch wann immer es ging, verbrachte Ofczarek die spielfreie Zeit im nördlichen Waldviertel: Erholung in Etappen, sozusagen. Denn viel Urlaubszeit am Stück bleibt nicht, wenn er am 30. August das letzte Mal den Tod des reichen Mannes am Domplatz gestorben sein wird.

Genau genommen gar keine. Schon zwei Tage später steht er in Grafenegg, begleitet vom niederösterreichischen Tonkünstler-Orchester, in Edvard Griegs Peer Gynt auf der Bühne, dem Franzobel eine neue Textfassung verliehen hat. Am 3. September beginnen an der Burg die Proben zu Anton Tschechows Onkel Wanja in der Regie von Matthias Hartmann und an der Seite etwa von Gert Voss und Michael Maertens. Premiere wird vermutlich am 3. November sein. Mit einer Ulysses-Lesung eröffnet Ofczarek gemeinsam mit Corinna Harfouch und Karl Markovics am 6. September die Saison am Theater an der Wien.

Noch im Planungsstadium ist ein Filmdreh in Hamburg im Dezember. Fix ist hingegen, dass am 18. September David Schalkos hochkarätig besetzte achtteilige TV-Serie Braunschlag startet; dass im Dezember Kinostart des Films Jesus loves me (Regie: Florian David Fitz) sein wird, in dem Ofczarek den Satan spielt. Und dass er im Frühling an der Burg Ferenc Molnárs Liliom spielen wird, eine seiner erklärten Traumrollen.

STANDARD: Es scheint derzeit ja alles sehr nach Wunsch zu laufen in Ihrer Karriere. Sind Sie glücklich oder unglücklich, dass der "Jedermann" ab 30. August der Vergangenheit angehört?

Nicholas Ofczarek: Weder noch. Aber wenn ich bei diesen letzten Vorstellungen auf das Publikum schaue, die Kirche dahinter sehe: Da empfinde ich Wehmut, auch wenn es gut und richtig ist, dass es zu Ende geht. Der Jedermann war wirklich eine bereichernde Erfahrung, allein durch die Tatsache, dass er je nach Wetter an zwei völlig verschiedenen Schauplätzen aufgeführt wird. Und selbst wenn wir am Domplatz gespielt haben, waren die Bedingungen jedesmal andere. Letzte Woche hatten wir Aufführungen bei gefühlten 55 Grad, das ändert die persönliche Ökonomie, das Spiel. Prinzipiell ist es kein ungewöhnlicher Vorgang, dass man eine Rolle nach fast 70 Vorstellungen wieder abgibt. Und doch ist der Jedermann etwas Besonderes. Man spielt ihn einmal im Leben. Genau einmal.

STANDARD: Nächstes Jahr haben Sie dann Salzburg- und spielfrei?

Ofczarek: Beides ist nicht richtig. Ich habe weder frei, noch werde ich nicht in Salzburg sein.

STANDARD: Was werden Sie spielen?

Ofczarek: Das wird alles Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf im November verraten.

STANDARD: Was sagen Sie zu den Gerüchten, August Diehl solle der nächste "Jedermann" sein?

Ofczarek: Ich beteilige mich nicht an den Gerüchten. Ich habe es gelesen, muss bemerken, dass ein Journalist vom anderen abschreibt und werde mich nicht weiters dazu äußern, weil ich nicht glaube, dass es stimmt. Aber wenn es so wäre, wäre es großartig, ich halte August Diehl für einen groß artigen Schauspieler. Auch da muss man schlicht abwarten, wen Bechtolf im November präsentieren wird.

STANDARD: Vor einem Jahr sind Sie nach den Festspielen mit Buhlschaft Birgit Minichmayr zu Martin Kušej nach München aufgebrochen. Schon im Frühjahr haben Sie die Rolle im "Weibsteufel" zurückgelegt, "Endstation Sehnsucht" in Wien geprobt. War Ihr München-Ausflug von Anfang an nur als Stippvisite angelegt? Oder hat Sie Hartmann besonders intensiv zurückgeworben?

Ofczarek: Auch da wurde mächtig spekuliert, gefragt hat mich kein Mensch. Ich hatte übrigens nur einen Gastvertrag, aber vertrag liche Interna gehen eigentlich niemanden etwas an. Aber: Ja, es hat sich vorzeitig geändert.

STANDARD: Warum? Familiäre und/oder künstlerische Gründe?

Ofczarek: Dispositionelle Schwierigkeiten (lacht). Es hat mir einfach nicht mehr getaugt. Ich habe mir das Pendeln einfacher vorgestellt. Unter all den vielen Gründen war der gewichtigste, dass es sich einfach nicht ausgegangen ist. Man wollte in München, dass ich die zwei Stücke, in denen ich mitgewirkt habe (Weibsteufel und Kasimir und Karoline, Anm.), ganz oft, am besten 15-mal im Monat, spiele. Das habe ich abgelehnt, unter anderem, weil ich auch an der Burg in einigen Produktionen gespielt habe (Endstation Sehnsucht, Was ihr wollt, Geschichten aus dem Wienerwald, Professor Bernhardi, Anm.). Es ist ein Beruf, keine Leibeigenschaft.

STANDARD: Sie spielen und proben ziemlich viel parallel. Wie schützt man sich da vor Routine?

Ofczarek: Wenn man etwas Neues probt und abends Vorstellung hat, dann wirkt die Energie des neuen Stückes in den Abend hinein, der Furor der Vormittagsprobe ist in der Abendvorstellung spürbar. Aber es ist nicht schlimm, wenn man diese energetisch unterschiedlichen Stimmungen vermischt, im Gegenteil. Das ist ja das Wunderbare am Theater, dass es so unmittelbar ist. Und natürlich mischt sich auch meine persön liche Gefühlslage mit dem Stück, das ich spiele, schließlich bin ich kein Roboter, sondern ein Mensch mit all meinen menschlichen Problemen, meinen Todesfällen und freudvollen Momenten und meinem Scheitern im Leben - wie jeder andere auch.

STANDARD: Wie viel von der jeweiligen Rolle spielt in Ihren Alltag?

Ofczarek: Auch das passiert eher während der Proben, weniger beim Spielen. Aber je länger ich in diesem Beruf bin, umso mehr nehme ich von den Proben mit. Das Immer-wieder-Anstehen, das Nichtwissen, wie es geht: Das hört ja nie auf! Sonst würde man ja nie Neues, Unbekanntes entdecken.

STANDARD: Neu war für Sie die Serienerfahrung mit "Braunschlag": Hätten Sie Lust auf mehr von der Art?

Ofczarek: Das waren schon extrem gute Bücher. Und es ist ja im Grunde keine Serie, sondern eine lange Geschichte, die auf - in jeder Hinsicht! - extrem hohem Niveau in acht Teilen erzählt wird. Aber das, was mir in meinem Beruf am meisten taugt, ist die Vielfalt: eine Serie zu machen, eine Oper, ein Freiluftspektakel, eine Lesung, ein Konzert, Komödie, Tragödie, Regie. Diese Vielfalt macht mich reich. Nicht finanziell reich. Aber es bereichert mich. Macht mich glücklich.

STANDARD: "Jedermann" ist ein religiös-moralisches Stück. In "Braunschlag" geht es um - erfundene - Marienerscheinungen zur Wirtschaftsankurbelung, im Film "Jesus loves me" kommt Jesus auf die Welt, in der der Satan, den Sie spielen, seit Jahrtausenden beschäftigungslos als Landstreicher lebt, weil die Menschen eh alles Böse selber machen. Wie halten Sie es mit der Religion und der Moral?

Ofczarek: Ich bin selbst ein sehr gläubiger Mensch, ich denke, dass ein Grundproblem unserer Zeit ist, dass der Mensch seinen Zugang zum Glauben verloren hat. Damit meine ich einen Glauben, der nichts mit einer Konfession oder einer Kirche zu tun hat, sondern eher an eine höhere Instanz in mir selbst. Daraus resultiert, wenn man so will, Moral, Ethik, ein Weltbild. Oder, wie die Guten Werke am Schluss des Jedermann meinen: die Liebe zum Menschen. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 29.8.2012)