Einer der Drucke der "École de la montagne rouge", eines Kollektivs aus studentischen Grafikern, das den Protest visuell unterstützte.

Foto: EDLMR

Québec/Wien - Da brannte mehr als bloß eine Uni. Monatelang waren die Straßen von Québec mit stimmgewaltiger Empörung und roten Quadraten gefüllt. Le "carré rouge" wurde das Symbol des studentischen Aufbegehrens.

Am 13. Februar dieses Jahres traten die Studierenden in der kanadischen Provinz in Streik und riefen den "Frühling des Ahorns" aus. Sie wehrten sich damit gegen die radikale Anhebung der Studiengebühren, die die damalige liberale Regierung plante (DER UNISTANDARD berichtete).

Mehr als sieben Monate dauerten die Proteste, die seitens der Studenten von kreativen Aktionen und Enthusiasmus geprägt, aber auch kräftezehrend waren. Zuletzt lohnten sie sich.

Letzten Monat wählte Québec ein neues Parlament. Der großangelegte Protest, der regelmäßig große Menschenmassen auf die Straße brachte, dürfte für das Ergebnis keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Die linksgerichtete, separatistische Parti Québécois (PQ) rang der liberalen Regierung von Jean Charest den ersten Platz ab und nahm die Erhöhung der Studienbeiträge sofort zurück.

Auch die Partei Québec Soli-daire vermehrte ihre Stimmen und ist nun mit zwei Abgeordneten vertreten. "Sie war im Zentrum der Studierendenbewegung und wurde von ihr tief geprägt", erklärt Justin Lapointe. Er studiert Soziologie an der Université de Laval in Québec-Stadt und engagierte sich stark in den Protesten.

Streik war Motivationsmotor

Das Wahlergebnis sieht Lapointe positiv, auch wenn es nur zu einer Minderheitsregierung der PQ reiche und zeige, dass das Wahlsystem reformbedürftig sei - seit Jahrzehnten wechselten sich PQ und "Les Libéraux" ab. "Wir haben genug davon."

Gar nicht genug scheinen die Studierenden aber vom Enthusiasmus und der Politisierung zu haben, die der breite Protest hervorrief. Der Erfolg wird als historischer empfunden, genauso wie die Bewegung insgesamt - ihr Ende, wenn auch ein glückliches, ist emotional aufgeladen und stimmt fast wehmütig.

Sie war dem studentischen Alltag der Québécois Motivationsmotor und lieferte kraftvolle Bilder. Etwa: blaue Möwen. Rote Blaumänner. Oder genauer: Viele blaue Möwen werden von vielen Menschen in roten Blaumännern auf Plakate gedruckt und verteilt.

Die "École de la montagne rouge" (EDLMR) prägte starke visuelle Eindrücke im Studierendenprotest. Das Kollektiv formte sich zur Geburtsstunde des Streiks am Grafikdesign-Institut der Université du Quebec in Montréal. Sein Leitspruch: Ein solidarisches "Hodie mihi, cras tibi". Heute mir, morgen dir. Sein Anspruch: die Ideen und Erfahrungen der Bewegung in Text und Bild zu fassen.

Mit Ende des Streiks schließt auch die EDLMR ihre Pforten. Die Bilder werden aber genauso in den Köpfen bleiben wie das Bewusstsein, etwas mitzureden zu haben. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 4.10.2012)