Heinisch-Hosek über die nach wie vor auseinanderklaffende Einkommensschere: "Das geht mir zu langsam."

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STANDARD: Statistisch gesehen arbeiten Frauen hierzulande von heute, dem 6. Oktober, an bis zum Jahresende umsonst. Wäre der Equal Pay Day, der Tag für Lohngerechtigkeit, nicht eine Gelegenheit, ein härteres Vorgehen gegen Lohndiskriminierung einzuleiten?

Heinisch-Hosek: Ich gebe zu, die Einkommenssituation von Frauen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um nur drei Tage verbessert. Das geht mir zu langsam. Aber im Konsens mit den Sozialpartnern und dem Koalitionspartner haben wir nun Maßnahmen gesetzt, die sich sehen lassen können: Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen etwa Einkommensberichte erstellen. Bis 2014 sollen das auch Firmen ab 250 Mitarbeitern tun.

STANDARD: Firmen, die sich weigern, diese anonymisierten Berichte anzulegen, drohen jedoch keinerlei Sanktionen. Wie viele Unternehmen halten sich überhaupt daran?

Heinisch-Hosek: Laut ersten Schätzungen der Gewerkschaft erstellen mehr als 80 Prozent der Unternehmen die Berichte.

STANDARD: Seit 2011 müssen Unternehmen in Stelleninseraten das zu erwartende Mindestgehalt angeben, seit 2012 gibt es bei Nichteinhalten Verwaltungsstrafen - was hat das bewirkt?

Heinisch-Hosek: Laut einer Untersuchung der Arbeiterkammer geben nun fast neunzig Prozent der Firmen das Mindestgehalt an. Es hat sich gezeigt: Erst seit es die Strafe in der Höhe von 360 Euro gibt, klappt das.

STANDARD: Frauen, die für diesselbe Arbeit weniger als ihre männlichen Kollegen kriegen und sich außerhalb des Unternehmens beschweren, riskieren auch Geldstrafen bis zu 360 Euro. Aber mit einem Schweigegebot beseitigt man doch kein Diskriminierung.

Heinisch-Hosek: Das ist in der Tat sehr unerfreulich. Aber das war der Preis dafür, dass die Unternehmen jetzt Einkommensberichte verfassen.

STANDARD: Was spricht eigentlich gegen eine absolute Gehältertransparenz für alle Arbeitnehmer? Dann könnte das Problem doch viel rascher abgestellt werden.

Heinisch-Hosek: Ich hätte überhaupt nichts gegen eine volle Transparenz, denn immer noch kommen die Frauen ja erst nach Jahren drauf, dass der Kollege neben ihnen vielleicht um 500 Euro mehr verdient als sie. Ich werde den Sozialpartnern daher den Vorschlag machen, dass in einem nächsten Schritt sämtliche Unternehmen ab 25 Mitarbeitern verpflichtet werden, innerbetrieblich die Gehälter nach Verwendungsgruppen offenzulegen. Sie sollen für alle Mitarbeiter einsehbar sein, jeder soll das auf seinen Schreibtisch bekommen. Derzeit haben ja nur die Betriebsräte Einsicht in die Lohntabellen und in die Einkommensberichte.

STANDARD: Das genaue Gehalt jedes Einzelnen soll jedoch weiterhin geheim bleiben?

Heinisch-Hosek: Bei einer völligen Offenlegung gäbe es Probleme mit dem Datenschutz. Aber für Frauen, die klagen wollen, wäre die verpflichtende innerbetriebliche Transparenz schon eine Hilfe.

STANDARD: Bei Debatten zu den Einkommensunterschieden halten Männer den Frauen gern ihr niedrigeres Pensionsantrittsalter entgegen - Ihre Replik?

Heinisch-Hosek: Das ist überhaupt kein Argument! Haben wir denn schon die Gleichstellung bei den Löhnen? In den Chefetagen? Bei der Hausarbeit? Bei der Kinderbetreuung? - Wenn das erledigt wäre, könnten wir über eine frühere Angleichung des Pensionsantrittsalters als bis 2033 reden. Aber derzeit sehe ich leider nicht, dass das wesentlich früher der Fall sein wird. Außerdem: Wenn man das tatsächliche Antrittsalter vergleicht, gehen Frauen im Schnitt mit 57 in Pension, Männer mit 59 - da gibt es also kaum einen Unterschied, obwohl Frauen neben dem Beruf oft auch noch den Haushalt und die Kinderbetreuung erledigen.

STANDARD:: Was männliche Kollegen noch gern ins Treffen führen: Sie sind hinsichtlich der Wehrpflicht diskriminiert. Gehört diese aus Ihrer Sicht abgeschafft?

Heinisch-Hosek: Ja. Stattdessen gehören ein Profi-Heer und ein freiwilliges soziales Jahr her, das hoffentlich nicht nur vor allem von Frauen absolviert wird.

STANDARD: Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) meint, Präsenzdienst wie Zivildienst "tut den jungen Männern gut". Immerhin lernen diese dort kennen, was Frauen zu Hause oft unbezahlt erledigen: kochen, putzen sowie kranke und betagte Leute betreuen.

Heinisch-Hosek: Doch schon bisher hatte das offenbar keinerlei Auswirkungen auf das spätere Leben. Viele bleiben nach wie vor gern so lange wie möglich im Hotel Mama - und junge Männer sind in Sozialberufen bis heute unterrepräsentiert.

STANDARD: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter sprach sich für mehr Frauen in Chefetagen aus, weil Korruption - siehe Causa Buwog, Telekom, Eurofighter - "eindeutig männlich" sei. Ein berechtigter Befund - oder bloß ein Vorurteil?

Heinisch-Hosek: Diese These kann ich insofern teilen, weil ich bisher kein Beispiel von Frauen in Chefetagen kenne, die korruptionsverdächtig wären. Wenn wir es bis 2020 endlich schaffen, dass 40 Prozent der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen weiblich besetzt sind, bin ich sicher, dass sich auch die Atmosphäre ändert: Denn an den internationalen Beispielen sieht man, dass dort soziale Veranwortung und Problemlösungsfähigkeit einen höheren Stellenwert genießen.

STANDARD: Im U-Ausschuss gab die Grüne Gabriela Moser nach herber Kritik an ihrer Vorsitzführung das Amt ab. Wären die Vorwürfe bei einem Mann genauso hart ausgefallen?

Heinisch-Hosek: Nein, sicher nicht. Die Gründe, warum es an Moser Kritik gab, sind erläutert. Aber Aussagen, wie sie hier getätigt wurden, wie " Na, da hat sie sich ein bisserl schwergetan!" waren unterste Schublade. Dieses Kleinmachen und Lächerlichmachen ist zu verurteilen. Einen solchen Umgangston kenne ich nicht von Frauen im Umgang mit Männern - und das würde auch gleich als zynisch zurückgewiesen werden. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 6./7.10.2012)