Kulturmanagerin Jutta Skokan: "Die eigenen Gedanken ununterbrochen am Werk sein zu lassen, die eigenen Ideen umzusetzen, das bedeutet mir viel."

Foto: Monika Löff

"Denken kann man Tag und Nacht", sagt Jutta Skokan, weshalb neben ihrem Bett auch stets Stift und Notizblock liegen. Für neue Ideen, die ständig aus ihr heraussprudeln. Als Kind im oberösterreichischen Lambach hat sie ihre Gedanken in Form von Gedichten zu Papier gebracht. "Ich wuchs mit Kultur auf. Mein Vater, 1895 geboren, war Hobbygeiger beim Stummfilm; sobald ich lesen konnte, habe ich, im Gras liegend, Reclam-Hefte verschlungen, gedichtet und Texte auswendig gelernt." Später gründete sie gemeinsam mit anderen LambacherInnen den Kulturverein "O2 Lambach": "Wir wollten aus den eigenen Reihen schöpfen und zeigen, was die Leute im Ort können. Ich habe meine Gedichte vorgetragen, andere haben ein Instrument gespielt oder ihre Malerei präsentiert. Dort, wo heute das Lambacher Kulturzentrum steht, stellte uns die Gemeinde damals einen alten Rossstall zur Verfügung, den wir mit ihrer Hilfe umbauten, um kleine Veranstaltungen zu organisieren."

Übungen fürs Alleinsein

Ihre Gedichte erschienen in dem Band "Übungen fürs Alleinsein", Skokan erhielt den Rauriser Förderungspreis für Literatur und den Literaturpreis der Stadt Wels. "Als meine drei Kinder kamen, war es jedoch nicht mehr so einfach, Zeit und Muse für das Schreiben zu finden." Skokan arbeitete als Assistentin der Geschäftsführung einer Welser Firma, Anfang der 70er-Jahre wechselte sie als Verlagskuratorin und PR-Verantwortliche in den Landesverlag Linz. "Bei meinem ersten Kind waren noch drei Wochen Karenzzeit üblich. Meine Mutter hat bei uns gewohnt, die hat sich immer um die Kinder gekümmert. Ich war jedes Mal froh, recht bald wieder arbeiten gehen zu können und sie dabei versorgt zu wissen. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Mutter gemacht hätte."

Im Verlag brachte Skokan eine eigene Literaturreihe heraus, durch ihren Kontakt zur Grazer AutorInnenversammlung kannte sie viele LiteratInnen persönlich. "Von diesen Verbindungen und Bekanntschaften zehre ich heute noch." Es folgte die Ausbildung zur Kulturmanagerin an der Universität Linz, durch die sie ihr kulturelles Netzwerk noch erweitern konnte. Der Schritt in die Selbstständigkeit war für sie nur eine Frage der Zeit: "Ich habe viele Jobs gemacht, in denen ich es schlimm fand, Dinge umsetzen zu müssen, die gar nicht meins sind. Die eigenen Gedanken ununterbrochen am Werk sein zu lassen, die eigenen Ideen umzusetzen, das bedeutet mir viel."

Eiserner Wille

Den eisernen Willen, ihre Vorhaben zu realisieren, hat Jutta Skokan von ihrer Mutter geerbt: "Sie musste, so wie ich, immer etwas tun und machen; ich habe nie erlebt, dass sie einmal gesessen wäre und nichts getan hätte. Mein Vater war Seiler, die Eltern hatten eine kleine Werkstatt, und meine Mutter setzte es sich in den Kopf, auch Seilerin zu werden. Sie wollte ihm beweisen, dass sie das kann, ist Seilergesellin geworden und hat nach dem Tod meines Vaters den Betrieb übernommen."

Mit ihrem eigenen Kulturbüro organisiert die umtriebige Oberösterreicherin heute neben der Intendanz der Gmundener Festwochen das Symposion "Oberösterreichische Kulturvermerke" oder die Sprechtage in Wels, sie plant und realisiert Konzepte für Firmen und kulturelle Einrichtungen und veranstaltet Seminare für Eventmanagement, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung, unter anderem für die Kulturplattform Oberösterreich.

Zweites Standbein

Mit der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin holte sie sich das Hintergrundwissen für ihre Seminare und baute sich ein zweites Standbein auf: "Diese Absicherung war mir wichtig, wenn ich mich selbstständig mache, da ich ja für drei Kinder verantwortlich war und kein sonstiges Netz hatte. Aus diesem Grund habe ich auch an der HBLA in Steyr Kultur- und Kongressmanagement unterrichtet, mich aber später für die Erwachsenenbildung entschieden, weil sie mir mehr Zeit für die Kulturarbeit lässt."

Auch mit Frauenorganisationen hat Jutta Skokan viel zusammengearbeitet, das erste Mal Ende der 1990er-Jahre: "Die oberösterreichische Landesregierung bat mich damals, zum Internationalen Frauentag eine Veranstaltung für 15.000 BesucherInnen im Linzer Design Center zu organisieren, eine Art Messe, an der rund 200 Frauenorganisationen von fiftitu über Künstlerinnen bis zu Pfarrersköchinnen, Winzerinnen und Expertinnen teilnahmen." In der Folge hielt sie Seminare für Frauenorganisationen und arbeitete für den Marianne von Willemer-Literaturpreis mit dem Linzer Frauenbüro zusammen.

Reines Frauenteam

Heute versucht Jutta Skokan, Frauenthemen vor allem im Festwochenteam zu leben, das ein reines Frauenteam ist. "Es gibt das Klischee, dass, wenn Frauen zusammenarbeiten, es zugeht, wie in einem Krabbenkorb: Man braucht den Korb nicht zudecken, weil eh keine herauskommt, denn wenn es eine versucht, wird sie von den anderen hinuntergezogen. In meinem Team erlebe ich das aber überhaupt nicht so."

Als Chefin agiere sie heute lockerer und erfahrener als früher: "Ich halte zwar die Zügel in der Hand, lasse meine Mitarbeiterinnen aber an der 'langen Leine': Jede erreicht ihr Ziel auf ihre eigene, persönliche Art. Früher bin ich sofort hingesprungen und habe gesagt: 'Gib her, ich weiß, wie es geht.' Jetzt weiß ich, dass es sinnvoll ist, erst zu schauen, wie es andere machen und gut machen und dann, wenn nötig, einzugreifen."

Goldenes Ehrenzeichen der Republik

Für ihr Engagement rund um die Gmundner Festwochen, die sie als Intendantin und Geschäftsführerin seit 1996 zu einem Mehrspartenfestival mit Konzerten, Theater, Lesungen, Ausstellungen, Film und Performances ausbaute, erhielt sie 2007 das Goldene Ehrenzeichen der Republik. "Wir wollen neben Publikumsmagneten auch jungen KünstlerInnen die Chance geben, auftreten zu dürfen, auch wenn wir wissen, dass da nicht die Massen kommen", erklärt sie ihr Konzept. "Es muss Platz sein für spezielle Sachen, für Dinge, die woanders vielleicht nicht machbar sind. Das macht für mich den Reiz des Programmes aus. Es ist aber natürlich eine Gratwanderung, weil man als Intendantin gleichzeitig für Auslastung und Einnahmen Rechenschaft ablegen muss."

Zu Festspielzeiten arbeitet die Geschäftsfrau sechs Wochen lang fast rund um die Uhr: "Da bin ich von 8 bis 16 Uhr im Büro, gehe mich dann umziehen und bin von 18 bis 23.00 Uhr wieder am Veranstaltungsort. Überall dabei zu sein ist für mich die Belohnung für die viele Arbeit davor, denn da sehe ich dann, wie sie umgesetzt wird. Und wenn alles vorbei ist, gönne ich mir jedes Jahr Urlaub bei den Filmfestspielen in Venedig."

Schlechtes Gewissen

Trotz ihrer 69 Jahre denkt sie gar nichts ans Aufhören, sie hat noch viele Pläne. Zum Beispiel, wieder mehr zu schreiben. Heute, wo die Kinder erwachsen sind, kann sie auch den zeitraubenden Festival-Alltag so richtig genießen. Das war nicht immer so: "Meine Kinder haben sehr viel auf mich verzichten müssen. Als sie kleiner waren, haben sie in den Sommerferien beim Festival mitgeholfen, um mich zu sehen. Ich habe gewusst: 'Die Oma ist eh da', aber das schlechte Gewissen, das Gefühl, die Kinder im Stich zu lassen, hat mich trotzdem immer wieder beschlichen. Meine Töchter wollten auf keinen Fall im Kulturbereich arbeiten, weil der mich ihnen quasi 'weggenommen' hat."

Mit ihrem jüngsten Sohn, der heute 20 ist, habe sie eine Sondervereinbarung getroffen: "Als er 16 war, habe ich ihm fix fünf Stunden meiner Zeit am Wochenende geschenkt, die nur ihm gehörten. Das hat er super gefunden, weil ich ihn nun überall hinkutschieren und abholen musste. Heute lassen wir die fünf Stunden zusammenkommen und machen regelmäßig Ausflüge und Städtetrips. Gemeinsame Zeit, die wir beide sehr genießen." (Isabella Lechner, 22.10.2012)