Wien - Alles neu an der Wiener Kammeroper: Am Sonntagabend ging die erste Opernpremiere über die Bühne des schnuckeligen Hauses am Fleischmarkt, welches seit dieser Saison vom Theater an der Wien bespielt wird. Ein Auftragswerk an Hans-Jürgen von Bose wird nächstens in dem von Sebastian F. Schwarz geleiteten Souterrainetablissement zu erleben sein, eine Kurzversion von Puccinis La Bohème, zwei Kirchenparabeln von Benjamin Britten sowie Händels Orlando.

Zum musiktheatralischen Einstand wurde Gioachino Rossinis unterhaltsamer Opernerstling La cambiale di matrimonio gegeben, eine sogenannte Farsa, ein komischer Einakter aus dem Jahre 1810. Dessen Handlung hat Regisseur Jacopo Spirei um ein gutes Jahrhundert vorverlegt, und so wird das betrachtende Auge des Opernbesuchers erfreut von eleganten weißen Leinenanzügen, Jean-Harlow-Frisuren und großflächigen Bildern wunderschöner Transatlantikkreuzer (Ausstattung: Nikolaus Webern).

Auf einem solchen dürfte wohl aus Übersee der vermögende Kaufmann Slook herbeigedampft sein, der seinem italienischen Geschäftspartner Tobia Mill vorab einen Wechsel geschickt hatte mit der beigefügten Bitte, doch eine ansehnliche Braut für ihn zu finden. Mill fand seine Tochter, deren amouröse Bestrebungen sich jedoch schon auf den mittellosen Edoardo Milfort konzentrierten.

Ein unterhaltsamer Geschichtsverlauf also für fünf der sieben Mitglieder des hauseigenen "jungen Ensembles", um die vokalen und darstellerischen Qualitäten zu demonstrieren:

Igor Bakan ist als Tobia Mill das zentrale komödiantische Agens der Geschichte und präsentiert mit dazu einen kraftvoll-hellen Bariton. Virtuos, geschmeidig, luxuriös der Sopran von Anna Maria Sarra als Mills aparter Tochter Fanny; mit klassisch italienischem Tenorschmelz singt Andrew Owens den Milfort.

Der reiche Onkel aus Kanada heißt in dieser Geschichte nicht Frank, sondern Slook, Ben Connor wirbt ebenso mit Geld um Zustimmung, stronachkonträr aber auch mit verschwendend viel Charme, Jugend und der Schönheit eines klassischen Stummfilmstars; seinen Bariton könnte man sich leichtgängiger wünschen. Süß Gaia Petrone als Haushälterin Clarina, etwas steif Oleg Loza (Gast) als Norton.

Enorm bewegungsfreudig hingegen Konstantin Chudovsky, der das Wiener Kammerorchester zu feingliedriger, nuancierter, sinnfreudiger Dynamik antreibt. Zusammen mit der brillanten, fantasievollen, präzisen Regiearbeit von Spirei ergiebt dies ein unterhaltsames, rührendes Opernerlebnis. Bravi. (Stefan Ender, DER STANDARD, 23.10.2012)