Gute Absichten, viele Unterschriften - und jede Menge Hintergedanken. So lassen sich der Inhalt des Memorandums zur Asylwerberunterbringung und das, was darin zwischen den Zeilen steht, trefflich charakterisieren.

Denn so begrüßenswert es auch ist, das notorische Streitthema Asylwerberunterbringung zur Chefsache zu erklären, so einsichtig ist es, mit Ende November eine Frist zu setzen, bis zu der eine definierte Zahl neuer Wohnplätze für Flüchtlinge in den Bundesländern geschaffen werden soll: Dieses Abkommen hat mehr als nur einen doppelten Boden.

Tatsächlich sind zuletzt sechs der neun Bundesländer aufgrund der notorischen Untererfüllung ihrer Asylwerberunterbringungsquote in der Öffentlichkeit unter Druck geraten. Denn es sind zunehmend Kinder und Jugendliche, die wegen des Plätzemangels in einem Lager wie Trais kirchen ausharren müssen, statt alters adäquat in einer WG oder einem Heim zu wohnen. Das wird, verständlicherweise, als ein besonderer Skandal empfunden.

Um dieser Kritik zu entgehen, kaufen sich die sechs Bundesländer - außer Wien, Niederösterreich und der Steiermark derzeit alle - mit diesem erinnerungswerten Memorandum jetzt ein wenig Zeit. Und mit ihren damit einhergehenden Zusagen kaufen sie sich vorübergehend auch Sympathie: Guter Wille wird meist honoriert, auch wenn besagtes Memorandum im Grunde auf eine Herabsetzung der Asylwerberunterbringungsquote der Länder um zwölf Prozent hinausläuft.

Bis Ende November sollen die Länder jetzt lediglich 88 Prozent ihrer Verpflichtungen erfüllen, mehr nicht! Und wenn sie auch das nicht zusammenbringen, was angesichts der Quotenerfüllungserfahrungen seit 2004 nicht allzu weit hergeholt erscheint: Dann droht ihnen im Dezember, wenn es immer kälter wird und Weihnachten naht, wahrscheinlich eine Diskussion über die Aufstellung von Asylwerbercontainern auf Liegenschaften des Bundes: Einer solchen Hilfe bei der Flüchtlingsunterbringung haben die Ländervertreter mit ihrer Unterschrift zugestimmt.

Doch woran liegt es, dass um Wohnraum für Flüchtlinge derart gerungen wird? Warum tut sich ein Land wie Österreich, in dem - Stichwort Tourismus - die Beherbergung Fremder gang und gäbe ist, bei der Unterbringung von 1000 Asylwerbern derart schwer?

Dafür verantwortlich ist, erstens, die Unverbindlichkeit des Regelwerks, welches dafür sorgen soll, dass es in den Bundesländern ausreichend Plätze gibt: die Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung. Die von ihr Betroffenen, die Asylwerber selbst, können aus ihr keine Rechte ableiten. Und der Bund als Vertragspartner könnte laut dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk bei Nichterfüllung lediglich eine Feststellungsklage beim Verfassungsgerichtshof einreichen. Außer der Bestätigung, dass hier ein Vertrag nicht eingehalten wird, hätte das keine Folgen. 

Diese Unverbindlichkeit ist politisch gewollt, denn anders wäre der Unterbringungsvertrag wohl überhaupt nicht zustande gekommen. Doch sie hat auch - zweitens - mit dem extrem schlechten Image der Asylwerber in Österreich zu tun, das seit Jahrzehnten zelebriert, von menschenrechtsunsensiblen Medien verbreitet wird. Daher will niemand, der nicht unbedingt muss, offiziell Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen. Die Unterbringungskrise ist hausgemacht. (Irene Brickner, DER STANDARD, 24.10.2012)