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Spucken und Ausschütten der Gläser ist streng verboten, "gegenseitiges Beeinflussen und egoistisches Wegtrinken" aber ausdrücklich erwünscht.

Weinbewertungssysteme gibt es sonder Zahl. Da wären die 100 Punkte Robert Parkers, die von Journalistenkollegen ebenso oft übernommen wie kritisiert werden. In der europäischen Weinschreiberei wird meist nach einer 20-Punkte-Skala gewertet, wobei manchen skurril anmutet, dass ein elftplatzierter Wein mit, sagen wir einmal, 15,23 Punkten vom Sieger mit 15,79 überstrahlt werden kann.

Verteilt werden Gläser, Flaschen, Weintrauben oder sonstige Utensilien aus der Weinwirtschaft. Selbst DER STANDARD blieb nicht verschont, ließ ich mich doch in längst dahin geschiedenen Zeiten der Album-Weintests zu einem eigens erdachten Zehn-Punkte-System hinreißen. Schwamm drüber.

Freestyle, oder nach Spielregeln

Doch es gibt ein System, dem mehrfach Unfehlbarkeit zugestanden wird. Andreas März vom Fachmagazin Merum nennt es den Je-leerer-die-Flasche-Test. Er veröffentlichte schon im Jahr 2000 den ersten solchen Test. Auch der in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte US-Weinschreiber Terry Theise (Interview im kommenden RONDO!) ist ein Fan. Grundsätzlich funktioniert das System so, dass man im Freundeskreis kocht, isst, Weine öffnet, und schaut, welche Flasche zuerst leergetrunken ist.

Während Theise das Ganze völlig freestyle in Angriff nimmt, hat März plausible Spielregeln aufgestellt: So soll eine übersichtliche Zahl an Flaschen, durchaus themenorientiert, geöffnet werden. Richtwert ist eine Flasche pro Gast, jedoch sollte das sinnvollerweise dem "Trinkpotenzial der Anwesenden" angepasst werden. Spucken und Ausschütten der Gläser ist streng verboten, "gegenseitiges Beeinflussen und egoistisches Wegtrinken" aber ausdrücklich erwünscht. Bei einem Füllstand von etwa zwei Dritteln kann eine Zwischenmessung vorgenommen werden. Nach dem Abgang der Gäste erfolgt die Endwertung: Die leeren waren die Besten.

Für einen exakteren Zieleinlauf empfiehlt sich, die Reihenfolge des Leerwerdens festzuhalten. Sonst weiß man tags darauf nur, dass alles geschmeckt hat. Bei Selbstversuchen im Freundeskreis fiel freilich auf, dass manche übriggebliebenen Weine erst am nächsten Tag ihre volle Pracht zeigten - ein Manko, des wohl unter "Künstlerpech" zu vermerken ist. Sowohl März als auch Theise garantieren anregende Gespräche und vor allem Spaß. Und genau dazu ist Weintrinken da. (Luzia Schrampf, Rondo, DER STANDARD, 2.11.2012)