Im überraschenden Ambiente des Spittelberg-Lokals Lux wird nun engagiert aufgekocht - zu mehr als zivilen Preisen.

Foto: gerhard wasserbauer
Foto: gerhard wasserbauer

Auf dem Spittelberg darf sich Wien als verträumte Biedermeier-Kulisse präsentieren, was den Touristen gefällt, demnächst wieder mit exzessivem Weihnachtsmarkt-Klimbim dem alljährlichen Höhepunkt entgegentaumelt und für die Qualität des überaus dichten Lokalangebots naturgemäß Gift bedeutet. Dennoch ist just hier auch immer wieder Platz für spannende Experimente.

Vor Jahren hat etwa der nunmehrige TV-Spaßkoch Oliver Hoffinger mit seiner Kochwerkstatt aufgezeigt, dann demonstrierte Patrick Sowa im winzigen Küchenkobel des Restaurants 1070, auf wie lächerlich wenig Platz sich richtig gute Fischküche zelebrieren lässt. Und seit ein paar Monaten ist in der Küche des weitverzweigten Lux mit Roman Wurzer ein junger Koch zugange, der ganz offensichtlich genau hingeschaut hat, wenn irgendwo Gerichte der allerorten gefeierten neuen nordischen Küche abgebildet wurden.

Dementsprechend spektakulär sind manche seiner Kreationen ausstaffiert - im extra-legeren Ambiente des Lux nimmt sich das mitunter halt skurril aus: Der größte Speiseraum, ein überdachter Innenhof mit Warteraum-Ästhetik, ist gleichzeitig als Durchhaus zwischen zwei Gassen gewidmet, der von Passanten und Fahrradfahrern rege genutzt wird. Da kann es schon passieren, dass kunstvoll um eine Fischkreation arrangierte Karotten-Türmchen zum Einsturz kommen, bevor die Kellnerin den Hindernislauf zum Gast bewältigt hat.

Talenten eine Bühne bieten

Aber was soll's: In einer Stadt wie Wien muss man für jeden Wirt dankbar sein, der den Mut hat, Talenten eine Bühne zu bieten - in diesem Fall ist es Lux-Betreiber Karl Lind. Und sein Schützling Roman Wurzer zeigt tatsächlich kräftig auf. Sein gehacktes Rindstartare mag sehr salzarm angemacht sein - knackig marinierter Kürbis, zarter Ziegenfrischkäse und knusprige Wildreispops verleihen ihm markante Kontur.

Bei in roter Rübe mariniertem Saibling mit Räucheraal und Kren gelingt das nicht ganz so: Selbst aufwändiges Dekomaterial wie rote Rüben-Meringues, gar weich geratene Röllchen aus marinierten Rüben und Sonnenblumenkerne als Konsistenzkontraste können nicht darüber hinweghelfen, dass der Fisch von lascher Konsistenz ist.

Das Hirschragout hingegen überzeugt mit außerordentlich dichten, winterlich würzigen Lebkuchenaromen, toller Fleischqualität und, wie alles hier, mit richtig kompetitiver Kalkulation. Wenn man sich und Wurzer etwas wünschen dürfte, wäre es, dass er sein Talent mehr auf die Substanz, den Geschmack selbst konzentriert statt auf den modischen Schein seiner Kreationen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 2.11.2012)