Hält Bestechung für schwer abstellbar: Experte Carlo Masala.

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STANDARD: Im Zuge der deutschen Bundeswehrreform sollen nun 37 der 177 Eurofighter abgebaut werden. Ist in Krisenzeiten der Betrieb der Kampfjets einfach zu teuer?

Masala: Der Hintergrund ist ein anderer: nämlich, dass bei einer verkleinerten Bundeswehr so viele Kampfflugzeuge keinen Sinn machen. Die Flieger wurden einst zu Zeiten des Warschauer Pakts bestellt, aber nach dem heutigen Bedrohungsszenario entspricht die hohe Stückzahl nicht mehr dem Bedarf. Wenn Deutschland heute 120 Kampfjets hat, dann reicht das. Der jetzige CDU-Verteidigungsminister Thomas de Maiziere ist der erste seit langer Zeit, der da mit der Rüstungsindustrie Tacheles spricht - obwohl natürlich auch Sorgen um etwaige Konventionalstrafen bestehen, die in derartigen Verträgen stecken.

STANDARD: Österreich hat bloß 15 Stück, doch wegen fragwürdiger Zahlungen in der Höhe von bis zu 180 Millionen Euro beschäftigen die Staatsanwaltschaften von Wien und München derzeit die Gegengeschäfte. Hat es in Deutschland rund um die Eurofighter nie den Verdacht auf Korruption gegeben?

Masala: Eine Korruptionsdebatte wurde bei uns nie geführt. Generell ist aber zu sagen: Bei großen Rüstungsdeals ist die Korruption weltweit Teil des Systems. Es gilt also als wenig überraschend, wenn bei milliardenschweren Aufträgen das eine oder andere Nebengeschäft gemacht wird. Beispiel Indien: Wenn man sich deren Entscheid für das französische (hier stand ursprünglich fälschlicherweise "britische", Anm.) Kampfflugzeug ansieht, braucht man kein Insider zu sein, um zu vermuten, dass dem Ganzen wohl ein massiver Geldfluss vorausgegangen ist. Leider sind solche Praktiken nur sehr schwer auszuschalten.

STANDARD: In Demokratien westeuropäischen Zuschnitts kann man Korruption aber nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

Masala: Eine Weg wäre natürlich, Korruption durch eine gemeinsame europäische Rüstungsindustrie möglichst obsolet zu machen. Würden solche Deals - von der Typenentscheidung bis zur Auftragsvergabe - auf europäischer Ebene koordiniert, würden nationale Interessen kaum mehr eine Rolle spielen können.

STANDARD: Laut "Spiegel" sorgt sich Deutschland bereits, dass Österreich als Abnehmerland abspringen könnte, weil die Eurofighter dann Ihr Land noch teurer kommen könnten. Was ist da dran?

Masala: Selbst bei einem Ausstieg aus dem Deal glaube ich nicht, dass sich Österreichs Causa um die Eurofighter zu einem größeren Problem ausweiten könnte.

STANDARD: Eineinhalb Jahre nach dem Aussetzen der Wehrpflicht in Deutschland - gibt es für die Armee mittlerweile genug Freiwillige?

Masala: Grundsätzlich möchte ich dazu festhalten, dass es sich hierbei um die größte Reform seit der Gründung der Bundeswehr handelt, die etwa 350.000 Menschen betrifft, also Beschäftigte und auch deren Angehörige. Dass es da noch an vielen Ecken und Enden knirscht, ist normal. Es wird etwa sicher noch eine Debatte über die aktuelle Mann-Stärke geben, ob die nicht weiter reduziert werden könnte. Nach einem guten Jahr Erfahrung können wir aber sagen: Ja, es gibt genug Freiwillige für die Armee, nämlich 35.000 Bewerber für 13.000 Stellen.

STANDARD: Dreißig Prozent sollen aber schon in der Probezeit abspringen - warum das?

Masala: Das ist richtig. Viele junge Männer und Frauen melden sich etwa zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Studienplatz bei der Bundeswehr. Wenn sie den Studienplatz dann bekommen, verfolgen sie lieber ein anderes Lebenskonzept.

STANDARD: Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hat hierzulande noch nicht einmal für seine Versuchsmiliz genug Freiwillige beisammen. Was läuft da schief?

Masala: Bei einer Freiwilligenarmee müssen natürlich verstärkte Bemühungen seitens der Politik und des Militärs einhergehen, Freiwilligen anzusprechen. Österreich geht es ökonomisch relativ gut, deswegen konkurriert das Bundesheer in der Anwerbung mit Wirtschaftsunternehmen. Deutschland hat für die Umstellung viel Geld in die Hand genommen, um riesige Werbekampagnen zu starten. Aber auch die Wirtschaft bedient sich mittlerweile der gleichen Mittel wie die Bundeswehr. Bei großen Konzernen etwa gibt es etwa auch das Modell der Dual Career, wo jungen Menschen zusätzlich zur Arbeit eine Universitätsausbildung angeboten wird. Im Gegenzug verpflichten sie sich zehn Jahre zu bleiben.

STANDARD: Das Bundesheer mit den Rekruten stellt einen Querschnitt der Gesellschaft dar - lockt ein Freiwilligenheer nicht auch viele verkrachte Existenzen an?

Masala: Verrückte und Waffennarren werden freilich schon bei den Erstgesprächen durch gut geschulte Psychologen herausgefiltert. Das hat in der Vergangenheit geklappt - und tut es auch jetzt.

STANDARD: Weiterer Streitpunkt vor Ort: dass mit dem Fall der Wehrpflicht auch der Zivildienst endet - um den neuen Bundesfreiwilligendienst scheint sich die deutsche Jugend aber fast zu reißen. Sind junge Leute doch sozial engagierter als bisher angenommen?

Masala: Stimmt, für die circa 30.000 Stellen haben sich 50.000 beworben, obwohl es dafür bei weitem keine so intensive Werbung gibt wie für die Bundeswehr. Das große Interesse hat auch mich überrascht. Aber der Gedanke, dass man nach der Schule für ein Jahr mit geringer Bezahlung etwas für die Gemeinschaft macht, scheint in der Jugend noch gut verankert zu sein. Ich selbst war vorher Verfechter eines verpflichtenden sozialen Jahres, weil ich befürchtet habe, dass es anders kommen könnte. Ich lag offenbar falsch - was mich aber sehr freut.

STANDARD: Verteidigungsminister Darabos liegt mit seinem Generalstabschef ständig wegen der Kosten im Clinch: Kommt ein Freiwilligenheer Ihrer Erfahrung nach nun günstiger oder nicht?

Masala: Bei uns kam die Reform aufgrund der Finanzkrise, heißt: Das Ganze darf gar nicht mehr kosten. Hierzulande müsste eine Reform kostenneutral hinzubekommen sein, weil durch den Wegfall der Wehrpflicht jede Menge Geld eingespart werden kann.

STANDARD: Der Koalitionspartner ÖVP sieht dadurch den Katastrophenschutz gefährdet - zu Recht?

Masala: Was ich von Darabos' Konzept weiß, ist, dass 12.500 Mann weiterhin für Katastropheneinsätze bereitstehen sollen. Da können schon einige Dämme brechen und Berge rutschen, dass Profis mit den örtlichen Kräften das Gröbste meistern. Freilich wird man ohne Wehrpflicht aber künftig bei den Abfahrtsrennen ohne Rekruten auskommen müssen. Nach meinem Verständnis ist dafür eine Armee aber wirklich nicht da: Wenn Kitzbühel etwa ein massives Interesse daran hat, glatte Pisten zu haben, wird es genug Kitzbüheler geben, die diese dann mit ihren Füßen platttreten werden.

STANDARD: Am 20. Jänner wird hier über die Wehrpflicht abgestimmt - eine schlaue Vorgangsweise?

Masala: Weil das Ergebnis bindend sein soll, ist zwischen den Koalitionsparteien ja Sprengstoff rausgenommen worden. Aber warum das einer Volksbefragung unterwerfen? Ich glaube nicht, dass der Großteil der Bevölkerung mit Blick auf das Essenzielle abstimmen wird: Die wichtigste Frage ist nämlich, welche Aufgaben eine Armee künftig erledigen muss in Anbetracht diverser Risikoszenarien. Ich befürchte, dass viele Menschen da eine reine Bauchgefühlsantwort treffen werden. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 14.11.2012)