Als würde man gegen eine Glaswand laufen: Derart unvermittelt reißt man die Augen auf angesichts dessen, was sich da vor einem aufbaut, biegt man, aus der Innenstadt Leipzigs kommend, über die Goethestraße auf den Augustusplatz ein. Ein an eine romanische Kirche gemahnender Bau, schwarze und graue längsverlaufende Steinmuster, unterbrochen von kühlblau reflektierendem Glas, der in seiner melancholischen Wucht unnahbar wirkt. Über einem Eingang steht "Alma Mater Lipsiensis" - die Universität Leipzig also.

Fast automatisch will man sein Handy lautlos schalten, tritt man in die noch sehr keimfrei anmutende, museal weiße und säulengestützte Halle des Augusteums - jenes Teils des neuen Uni-Campus in Leipzig, in dem das Audimax untergebracht ist und der im Sommersemester 2012 eröffnet wurde. Büsten von Leibniz, Lessing und Goethe neben kreuzbewehrten Frauenfiguren und christlichen Grabdenkmälern: zwei Sphären, die so unverblümt kombiniert zumindest staunen machen.

Die Uni-Neubauten Augusteum und Paulinum befinden sich auf dem Gelände der ehemaligen Paulanerkirche. 1968 veranlasste Walter Ulbricht, der damalige Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die Sprengung der Kirche, stand sie doch einer sozialistischen Umgestaltung des Platzes im Wege. Fortan befand sich an ihrer statt also die Karl-Marx-Universität am Karl-Marx-Platz. Nach der friedlichen Revolution 1989, bei der die Bürger Leipzigs eine entscheidende Rolle spielten, entspann sich ein Streit um einen Neubau der Uni und vor allem der Uni-Kirche, in welcher Gottesdienste abgehalten werden können, meist von den dortigen Theologieprofessoren.

Das Paulinum ist jener Teil des Neubaus, in dem gleichermaßen die Aula der Universität und ein kirchlicher Andachtsraum untergebracht sind, 2014 soll er eröffnet werden. Herrschte vor Baubeginn jahrelanger Dissens darüber, ob die Kirche detailgetreu wiederaufgebaut oder das Gelände vollständig der Uni zur freien Gestaltung überlassen werden solle, konnte man sich 2004 auf einen Entwurf des Architekten Erick van Egeraat einigen, dessen Modell sich an die Originalkirche anlehnte, ohne jedoch reine Attrappenarchitektur zu betreiben.

Aula oder Andachtsraum

Damit war die Kontroverse aber noch nicht beendet, sie wandte sich lediglich anderen Aspekten zu, deretwegen heftig diskutiert wird, so die Frage, ob Aula und Andachtsraum im Paulinum durch eine Glaswand getrennt werden sollen: "Das kann man hier in Leipzig schon fast nicht mehr hören", sagt Martin Oldiges, als er das Stichwort "Glaswand" hört. Oldiges ist Vorsitzender der Stiftung Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig und gegen eine "künstliche Trennung" von Glauben und Wissen, seien beide doch bloß verschiedene Seiten der Medaille Mensch. Atheisten müssten nun wirklich nicht, wie einige Kommentatoren meinen, vor Religion geschützt werden, als wäre sie ansteckend oder als würden sie angesichts eines Altars gleichsam "in eine Starre verfallen".

Mit geradezu "denkmalpflegerischem Dogmatismus" werde die Diskussion gelegentlich geführt, sagt Volker Rodekamp, Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig, und verortet eine "wertkonservative Haltung, die sich nicht damit abfinden will, dass eine moderne Uni das Recht hat, sich mit moderner Architektur auf diesem Platz neu aufzustellen". Eine Haltung, die oft dem Bedürfnis entspringe, dass etwas "repariert" werden müsse, was der Sozialismus zerstört hat.

Auch Robert Fiedler, der in Leipzig Geschichte und Politik studiert, empfindet manche Diskussionen als kleinlich, er kritisiert vor allem die Art der finanziellen Vorausplanung: "Zwar werden Unsummen für Neubauten ausgegeben, danach steht jedoch oft kein oder zu wenig Geld für die adäquate Betreuung derselben zur Verfügung." (Konstantin Teske aus Leipzig, UNISTANDARD, 22.11.2012)