Der große Übergangene: Hanns Eisler, hier 1955 mit Bert Brecht an der Akademie der Künste in Berlin.

Foto: Lebrecht Music

Berlin - Der große Komponist Hanns Eisler (1898-1962) hat einige seiner volkstümlichsten Werke im Verein mit Bertolt Brecht geschrieben. Volkstümlich ist die Musik zu dem Stück Schweyk im Zweiten Weltkrieg immerhin ihrer Möglichkeit nach. Kein Gassenjunge pfeift heute die Melodie des berühmten Liedes: "Am Grunde der Moldau wandern die Steine. / Es liegen drei Kaiser begraben in Prag." Dabei enthält es folgende beherzigenswerte Einsicht: "Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. / Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag."

Das Hanns-Eisler-Gedenkjahr 2012 besitzt, wie jedes andere Jahr auch, zwölf Monate. Im letzten, dem Dezember also, zeigte das Berliner Ensemble Schweyk im Zweiten Weltkrieg. Manfred Karges Inszenierung ist nicht eben neu. Sie feierte bereits im Herbst 2008 Premiere. In den Spielplan des BE war sie jetzt hineingerutscht, weil eine andere Inszenierung ausgefallen war: irgendein großmächtiges, pompöses Stück.

Schweyk im Zweiten Weltkrieg zeigt das Bemühen von Brecht und Eisler, im US-Exil gegen die Übermacht des Faktischen recht zu behalten. 1943 stehen die Armeen der Nazis tief in Russland, Europa halten sie im Klammergriff. Brecht und Eisler plädieren trotzdem für die Hoffnung. Sie borgen sich bei Jaroslav Hasek die Figur des braven Soldaten und Hundefängers Schwejk aus. Dieser bildet den Sonderfall eines subversiven Einfaltspinsels. Was er spricht, klingt wahnsinnig. Nur weiß man eben nicht, was er überhaupt meint.

Im Berliner Ensemble spielt auf einer kleinen, wie improvisiert aufgeschlagenen Bühne der große Dieter Montag den greisen Schwejk. Der sitzt zusammen mit seinem Freund Baloun auf der Bierbank des Prager Wirtshauses "Zum Kelch" und lehrt die SS-Chargen das Fürchten. Mitunter weiß er anscheinend selbst nicht, was er da spricht.

Montag, ein Fernsehheld aus Ostdeutschland, gibt den Schwejk als improvisierenden Jazzmusiker. Sein Mundwerk ist das Instrument, mit dem er sich und alle anderen, vor allem aber die Nazi-Häscher in Atem hält. Gegen die Übermacht der Wirklichkeit richtet man so vielleicht nichts aus. Schwejk findet sich vor Stalingrad wieder, in einer Winterlandschaft voller Schnee und Eis.

Eislers Gesamtwerk wurde anno 2012 fast gar nicht zur Kenntnis genommen. Aber, wie Carmen-Maja Antoni als Wirtin hinreißend singt: "Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine."   (Ronald Pohl, DER STANDARD, 21.12.2012)