Anna Manske und Roland Schneider in "Talestri".

Foto: B. Frenzel

Ein kleiner Theaterraum, den eine schmale Bühne wie ein Laufsteg durchschneidet. Links und rechts von der Bühne sitzen vielleicht an die hundert Zuschauer, nur Armlängen von den Sängern, Musikern und Akteuren entfernt. Drei Frauen und zwei Männer singen eine spätbarocke Oper, die seit dem Jahr 1763 keine szenische Aufführung mehr sah. Es ist zweifellos ein besonders intensives musikalisches Erlebnis, das das Kosmos-Theater in Wien-Neubau mit seinem ersten Opernprojekt bietet.

Das Drama der Amazonen in "Talestri - Regina delle Amazzoni" von Maria Antonia Walpurgis von Bayern bietet für die von feministischen Grundideen geleitete Bühne reichlich Anknüpfungspunkte. Walpurgis, Wittelsbacher Prinzessin und Kurfürstin von Sachsen, nützte ihre Begabungen als Politikerin und Künstlerin, stieß im patriarchalen Herrschaftssystem des 18. Jahrhunderts aber an Grenzen, die nicht die ihren waren.

Kleists Amazone Penthesilea scheitert am Konflikt zwischen Gesetz und Liebe und folgt ihrem Geliebten in den Tod. Walpurgis' vierzig Jahre früher entstandene Version des Amazonen-Mythos findet dagegen einen versöhnlichen Weg im Zwiespalt: Liebe und Gesetz verbinden sich zur Revolution.

In der feministischen Interpretation von Regisseurin Heidi Sommer ersteht daraus die Hoffnung auf die Überwindung des Geschlechterkampfes. Die Inszenierung, die auf Bildprojektionen, Erzählstimmen und eine Akteurin zurückgreift, die als stumme Personifizierung des Geschlechterkonflikts die handelnden Personen manipuliert, hat ihre durchaus sympathischen Ecken und Kanten.

Die Intensität der Oper auf kleiner Bühne wird aber erst durch die musikalische Leistung (Leitung: Elisabeth Attl) zur Attraktion. Mit dem Sopranisten Francesco Divito war zwar eine rare Spezies vertreten. Doch was die Wienerin Anna Manske als Talestri so mühelos und voller Leichtigkeit im Raum stehen ließ, übertraf jede Erwartung. (pum, DER STANDARD, 25.1.2013)