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Bleibt der Pflegeaufwand im Rahmen, zeigen sich positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Betreuunden.

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Birgit Trukeschitz forscht am Institut für Altersökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien.
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"Über Kinderbetreuung reden alle", sagt Birgit Trukeschitz. "Über Pflege spricht niemand." Trukeschitz ist die Ausnahme. Sie redet nicht nur über Pflege - sie beforscht sie auch. Am Institut für Altersökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien. "Fragt man Firmenchefs, was sie für Familien tun, sagen sie: jede Menge!", erzählt die Wissenschaftlerin. "Fragt man sie, wen sie damit meinen, merkt man, dass es um Eltern mit Kindern geht."

Es gebe zu wenig Bewusstsein dafür, dass "Familie" oft alte Menschen einschließt, die es zu pflegen gilt. In einer alternden Gesellschaft sei das für die meisten Menschen in der zweiten Lebenshälfte Realität.

Zwei gegenläufige Tendenzen

Der Frage, wie sich die Pflege von älteren Angehörigen auf die Leistungsfähigkeit der Pflegenden in der Arbeit auswirkt, hat sich Turkeschitz jetzt in einer Studie gewidmet. Rund 900 Frauen und Männer wurden in die 2007 gestartete Untersuchung einbezogen. Eine Hälfte der Befragten pflegte ihre Eltern oder ältere Angehörige, die andere Hälfte fungierte als Kontrollgruppe mit vergleichbaren Merkmalen. Die Forscherinnen und Forscher befragten die Probandinnen und Probanden, wie sich diese Betreuungsarbeit auf ihre Leistungsfähigkeit in der Arbeit auswirkt. 

Das Ergebnis: Ist die psychische und zeitliche Belastung durch die Pflege zu hoch, kann das negative Wirkungen auf die Arbeitsleistung haben. Bleibt die Belastung moderat, gibt es sogar positive Effekte auf die Leistung im Job.

Mehr Fehler im Job

Worin zeigt sich geringere Leistung - bedingt durch zu große Pflegebelastung? Turkeschitz: "Diese Menschen haben davon berichtet, dass sie Probleme damit haben, ihre Arbeit pünktlich abzuliefern, mehr Fehler machen, unter Schmerzen und schlechter Stimmung leiden und im emotionalen Bereich oder bei Stress weniger belastbar sind." Ein kausaler Zusammenhang sei das nicht, so Turkeschitz. "Aber wir konnten Tendenzen ausmachen."

Mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Doch auch der gegenläufige Effekt hat sich gezeigt: Dass nämlich Pflege einen positiven Effekt auf die Leistungsfähigkeit der Betroffenen in der Arbeit haben kann. Und zwar dann, wenn die Belastung durch die Pflege nicht zu groß war. Dies könnte etwa damit erklärt werden, dass informelle Pflege organisatorische Fähigkeiten, Selbstmanagement und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen erhöht, schreiben die Forscher. Dies könne sich positiv auf die Arbeitsproduktivität auswirken.

Schutz vor Diskriminierung?

Das ist eine gute Nachricht, so Trukeschitz: "Denn es kann die Pflegenden vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen." Es brauche mehr Unterstützung für pflegende Menschen am Arbeitsplatz, fordert die Wissenschafterin. Die Rahmenbedingungen müssten verbessert werden - da könnten sowohl die Politik als auch die Unternehmen viel tun. "Nicht nur der Staat muss aktiv werden: Die Betriebe müssen mit den Leuten reden." (lima, derStandard.at, 25.1.2013)