Klassisches Festmahl für Niederländer und ein "authentisches Erbe" der Kolonialzeit: die "Rijsttafel", bei der eine Vielzahl typisch indonesischer Gerichte gleichzeitig aufgetragen wird.

Foto: Georg Desrues

Beim Essen ist zwar oft von Authentizität die Rede, was genau damit gemeint ist, wird aber nur selten erläutert. Vor allem von der exotischen Küche wird üblicherweise verlangt, ja gefordert, dass sie authentisch zu sein habe, tunlichst frei von fremden Einflüssen und nur ja nicht angepasst an den Geschmack des Europäers. So gesehen ist die indonesische Reistafel genau das Gegenteil eines authentischen Essens - weil in Wahrheit eine holländische Erfindung. "Na ja, ganz so ist das auch wieder nicht", warnt Susan Lauman, Betreiberin des Amsterdamer Restaurants Tempo Doeloe (javanisch für "Die alten Zeiten"), vor vorschnellen Schlüssen, "die Reistafel besteht durchwegs aus authentisch indonesischen Gerichten - holländisch ist lediglich die Art, sie zu servieren."

Und serviert wird so eine Reistafel, indem man eine Vielzahl von Speisen aus allen Winkeln des gewaltigen indonesischen Archipels, des größten Inselstaates des Planeten, gleichzeitig auf den Tisch stellt. "Natürlich hat vor den Holländern niemand in Indonesien so gegessen, dafür wären die Distanzen zu groß, die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zu unüberbrückbar gewesen", sagt Lauman. Doch gerade weil sie die Ausdehnung ihrer südostasiatischen Besitztümer zur Schau stellen wollten, erfanden die holländischen Kolonialherren die Reistafel.

Chili und Erdnuss

"Es ging ihnen einfach darum, vor ihren Gästen anzugeben", sagt Lauman, die sich selbst als Amsterdamerin mit indonesischen Wurzeln bezeichnet. In ihrem Lokal bietet sie zwei Versionen der Reistafel an. Eine kleine aus 15 und eine große aus 25 Speisen, die jeweils in kleinen Schüsserln und klarerweise mit Reis serviert werden. Unter den Gerichten finden sich Klassiker der indonesischen Küche wie Gadon dari sapi (Rindfleisch in milder Kokosnusssauce mit Koriander), Satay-Fleischspieße und Gado-Gado (gekochtes Gemüse), beides mit Erdnusssauce, sowie Shrimps, Gemüse oder Tofu in verschiedenen scharfen Sambal-Chilisaucen.

Dass die Speisen durchwegs gut gewürzt sind, versteht sich hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Land, zu dem auch die als Gewürzinseln bekannten Molukken gehören. Dass aber Chili und Erdnuss, die hier einen wesentlichen Part spielen, ursprünglich aus Südamerika stammen und erst von den Portugiesen nach Indonesien gebracht wurden, wirft wiederum die Frage auf, was denn nun tatsächlich gemeint ist, wenn von authentischen Speisen die Rede ist. Noch dazu, wo die Küche Indonesiens keineswegs nur von europäischen, sondern auch von indischen, chinesischen, arabischen und etlichen anderen Einflüssen geprägt wurde. Als authentisch holländisch geht die indonesische Reistafel wohl kaum durch - zu den Highlights eines Besuchs in Amsterdam, einer Stadt, die an kulinarischen Genüssen wenig Besseres zu bieten hat, gehört sie dennoch allemal. (Georges Desrues, Rondo, DER STANDARD, 1.2.2013)