Foto: Alexander-Verlag

Wien - Der Körper weiß Dinge, die der Kopf noch nicht weiß. Von diesem einfachen Grundgedanken geht die Arbeit des französischen Theaterpädagogen, Schauspiellehrers und Pantomimen Jacques Lecoq (1921-1999) aus. Auf die Praktiken seiner in den 1960er-Jahren über Europa hinaus bekannt gewordenen École Internationale de Théâtre in Paris beziehen sich nach wie vor viele Bühnenkünstler, von Christoph Marthaler bis Geoffrey Rush, von Ariane Mnouchkine bis Andreas Vitásek.

Wie jeder Guru der Theatermoderne hat auch Jacques Lecoq ein Lehrbuch hinterlassen, dessen deutschsprachige Edition im Alexander Verlag aus dem Jahr 2000, Der poetische Körper, nun neu aufgelegt worden ist. Dieses macht den Werdegang des Schauspielpädagogen und seiner im Lauf der Jahre aus der Praxis heraus entwickelten Theorien zur Theaterarbeit nachvollziehbar.

Lecoq kam über den Sport zum Theater. Noch lange bevor er Theaterluft schnupperte, war er fasziniert von der "Geometrie der Bewegungen", die etwa ein Stabhochspringer ausführt, und dachte über den "mimenden Körper" nach. Zunächst war Lecoq Lehrer für Körpersprache, er befreundete sich mit Antonin Artaud und studierte später die Masken der Commedia dell' arte und des traditionellen japanischen Nô-Theaters.

Der poetische Körper ist ein flott geschriebenes, thematisch-chronologisch geordnetes Buch mit Fotografien und einigen Skizzen. Besonders aufschlussreich ist das Nachwort von Dietmar Sachser, der Jacques Lecoq und sein Tun in der Entwicklung des Theaters im 20. Jahrhundert einordnet und erklärt, wie mit dem Schwinden der Text-Dominanz auf der Bühne das Interesse an einer neuen Körper-Kunst größer wurde. (afze, DER STANDARD, 1.2.2013)