Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte pro 100.000 Einwohner in ausgewählten europäischen Staaten.

Grafik: Der Standard

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Die meisten Ärzte sind in Spitälern angestellt, es gibt aber auch Bereiche mit Versorgungslücken, etwa in der Psychotherapie und der Palliativmedizin.

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Wien - Es war im April 2012, als eine Delegation aus Oberösterreich im Wissenschaftsministerium 136.000 Unterschriften ablieferte, die den Wunsch nach einer Medizin-Uni in Linz unterstützten. Aus der Uni wurde mittlerweile die Forderung nach einer Fakultät, das Hauptargument aber ist gleich geblieben: drohender Ärztemangel.

Am Dienstag war wieder eine Oberösterreicher-Runde am Minoritenplatz zu Gast. Erstmals saßen auch Vertreter des Finanzministeriums mit am Tisch. "Bevor es zu einer definitiven Entscheidung kommt, brauchen wir Klarheit, was den Bedarf und die Finanzierung betrifft", sagte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle zum STANDARD.

Den von den Oberösterreichern ins Treffen geführten Ärztemangel weist Ökonomin Maria M. Hofmarcher vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung unter Verweis auf langjährige Statistiken der Weltgesundheitsorganisation aber klar zurück: "Der Ärztemangel ist ein Mythos", sagt die Expertin für Gesundheitsökonomie im STANDARD-Gespräch: "Österreich hat europaweit die höchste Ärztedichte." So kamen, seit 1990 stetig steigend, 2009 hierzulande auf 100.000 Einwohner 468 Ärzte (2010 waren es schon 477), im EU-27-Schnitt waren es 330.

Trotzdem Versorgungslücken

Und wo sind die vielen Ärzte in Österreich dann? Die meisten von ihnen sind in Spitälern angestellt, "weil wir ein sehr stark medizinzentriertes Gesundheitssystem haben, oder sie arbeiten als Wahlärzte", erklärt Hofmarcher. Das sei auch eine Folge der "sehr restriktiven Vertragsärztepolitik der Krankenkassen". Aus Sicht der Patienten werde das dann als Ärztemangel wahrgenommen. So gibt es durchaus Versorgungslücken, etwa im Bereich Kinderpsychiatrie oder in der Psychotherapie, sagt die Gesundheitsexpertin. Auch der Palliativbereich, der patientennah schmerzlindernde Betreuung bietet, ist nicht angemessen ausgebaut - trotz vieler Ärzte.

Ein Problem im heimischen Gesundheitssystem ist auch, dass es zwar sehr viele Ärzte aufbieten kann, aber eine "relativ geringe Dichte an nichtärztlichem Personal". Denn nicht alles, was (teure) Ärzte machen, müssten sie unbedingt machen. Vieles könnte auch an medizinisch-pflegerisches Fachpersonal übertragen werden.

Was die Versorgung am Land betrifft, so gilt dafür nicht nur in Österreich: "Insgesamt sind ländliche Regionen relativ stärker benachteiligt", bestätigt Hofmarcher. Genau da aber soll die Gesundheitsreform Lösungen finden, indem sich Krankenkassen und Länder im Detail einigen, wie die Versorgung in einer Region bedarfsgerecht am besten aufgeteilt wird. "Wenn die Kassen dann sagen, wir installieren noch ein paar mehr Kassenärzte in Gruppenpraxen, müssen die Spitäler das mit ihren Budgets mitbezahlen." Also mehr Geld für niedergelassene Ärzte und weniger für Spitäler. Dafür muss klar geregelt sein, wer was am besten macht, und man brauche noch neue Bezahlungsformen für Fachärzte, sagt Hofmarcher, denn es ist vor allem ein Umverteilungsproblem: "Insgesamt haben wir nicht zu wenig medizinische Kapazitäten. Sie sind nur nicht immer richtig eingesetzt." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 13.2.2013)