Hilfe im Falle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bieten Gleichbehandlungsanwaltschaft und Arbeiterkammer.

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Derzeit macht die Gleichbehandlungsanwaltschaft mit Free Cards auf Formen von sexueller Belästigung aufmerksam.

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Die Unterstützung ist anonym und kostenlos.

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz tritt in vielen Gewändern auf - vom sexistischen Witz über ein Pin-up-Poster bis zum Po-Grapschen. "Ein Poster aus einem 'Playboy', das in einem Zimmer hängt, wird keine sexuelle Belästigung sein", sagt Rechtsanwalt Gerald Ganzger. "Wenn ich aber zu einer Mitarbeiterin sage: 'Schau, die hat so schöne Brüste wie du', dann ist es mit Sicherheit sexuelle Belästigung." So unterschiedlich die Übergriffe auch sein können, eines haben sie gemeinsam: Sie sind Angriffe auf die Menschenwürde - und sollen sanktioniert werden.

Würdeverletzung

Den gesetzlichen Rahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bildet das Gleichbehandlungsgesetz. Der Bogen, was darunter fällt, ist weit gespannt. Sexuelle Belästigung ist, was als solche empfunden wird. "Eine sexualisierte Handlung, eine Würdeverletzung", erklärt Sandra Konstatzky von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Sehr oft spiegeln sich hier Machtverhältnisse wider, deswegen finden Übergriffe häufig im Sog von Hierarchien statt. Eher von oben nach unten. Eher von Männern gegenüber Frauen. "Der Großteil, rund 90 Prozent der Fälle, betreffen Frauen", sagt Konstatzky im Gespräch mit derStandard.at.

Werden Männer zur Zielscheibe, sind meistens ihre Geschlechtsgenossen dafür verantwortlich. Einen homosexuellen Hintergrund haben Übergriffe aber selten. "Weil es in erster Linie um Macht und nicht um Sex geht", so Konstatzky, die als Beispiel einen Ausbildner erwähnt, der seinem Lehrling in die Weichteile schlägt. "Auch das ist sexuelle Belästigung."

Anspruch auf Schadenersatz

Wendet man sich in solchen Fällen an das Arbeits- und Sozialgericht, hat man theoretisch Anspruch auf Schadenersatz. Bei erfolgreicher Klage steht dem Betroffenen ein Minimum von 1.000 Euro zu. Zur Kasse bitten kann man neben dem Täter auch das Unternehmen. Wird der Arbeitgeber über einen Fall von sexueller Belästigung in seiner Firma in Kenntnis gesetzt, muss er reagieren, um den Missbrauch abzustellen. Etwa mit einer Weisung, einem Mediationsverfahren, einer Kündigung oder Entlassung des Täters. Ignoriert er den Vorfall, kann auch er finanziell zur Verantwortung gezogen werden.

Klassische Fälle sind etwa Kellnerinnen, die von Gästen belästigt werden. "Der Arbeitgeber hat die Pflicht einzuschreiten", erläutert Gerald Ganzger von Lansky Ganzger & Partner gegenüber derStandard.at. Wie? "Indem er zum Beispiel den Belästiger des Lokals verweist."

Angst vor Klagen

In Österreich landen nur die wenigsten Fälle von sexueller Belästigung vor Gericht. Laut Auskunft der Arbeiterkammer waren es in Wien vielleicht 20. Im gesamten Jahr 2012. Kein Vergleich zur Anzahl der Beratungen, da gebe es "mehrere pro Woche", heißt es von Seiten der Arbeiterkammer. Wie viele Prozesse es genau sind, weiß nicht einmal das Arbeits- und Sozialgericht selbst. Eine Statistik wird nicht geführt. Bei den Betroffenen ist die Scheu vor Klagen groß - aus Angst vor dem Beweisproblem, meistens steht Aussage gegen Aussage. Die Delikte finden selten vor Publikum statt.

Horrende Summen sind kaum im Spiel, die Judikatur ist zurückhaltend. Schadenersatzbeträge zwischen 1.000 und 4.000 Euro sind die Regel, die Ausnahme sind Fälle, die bei 20.000 Euro und mehr angesiedelt sind. Ein solcher Fall ereignete sich vor knapp drei Jahren in Oberösterreich. Eine Linzerin wurde vom Mann ihrer Chefin mehrfach zum Sex gezwungen. Mit Hilfe der Arbeiterkammer bekam sie vom Arbeitsgericht 20.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Strafrechtlich wurde der Mann allerdings freigesprochen. Ebenfalls Schadenersatz erhielt kürzlich eine Büroangestellte, die von ihrem Chef gegen ihren Willen geküsst und unsittlich berührt wurde. Die Höhe der "Entschädigung"? 3.000 Euro.

Keine Tagessätze

Wie man individuellen "Schaden" kategorisiert und in welche Beträge man ihn gießt, ist schwierig, meint Konstatzky von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Schließlich gehe es nicht um Körperverletzungen mit bestimmten Tagessätzen, sondern um Würdeverletzungen, über die Gerichte urteilen müssen. Manifest wird der Schaden oft nur, wenn Kosten für Therapien geltend gemacht werden können. Depressionen, Angstzustände oder Schlaflosigkeit, die oft infolge von sexueller Belästigung auftreten, lassen sich nur schwer mit einem Preisschild versehen.

Mit 345 Fällen von sexueller Belästigung war die Gleichbehandlungsanwaltschaft im Vorjahr konfrontiert. Die Bandbreite in puncto Hilfestellung reicht von telefonischer Beratung über Mediationsverfahren bis zu Verfahren, die bei der Gleichbehandlungskommission eingeleitet werden. Einer Institution, die vor oder parallel zum Gericht ihre Dienste anbietet. Hier geht es nicht um das Zusprechen von Schadenersatz, sondern um die Feststellung, ob Diskriminierung vorliegt oder nicht. "Mit dieser Entscheidung könnte ich dann vor Gericht ziehen", erklärt Konstatzky das Prozedere. Also eine Art Gutachten.

Täter-Opfer-Umkehr

Der Anspruch auf Schadenersatz spielt laut Konstatzky bei den meisten Opfern von sexueller Belästigung nur eine geringe Rolle. Ein Satz, den sie bei vielen Beratungen hört: "Mir geht es nicht ums Geld, sondern einfach darum, dass es aufhört." Immerhin stehen hier Jobs und damit Existenzgrundlagen auf dem Spiel. Ganz wesentlich sei, dass den Betroffenen Gehör geschenkt werde. Unternehmen seien hier in die Pflicht zu nehmen, "sie müssen hinter der Person stehen". Eine beliebte Taktik sei die Täter-Opfer-Umkehr. Belästigte werden häufig als "zu sensibel" oder als "Leute, die keinen Spaß verstehen", diskreditiert. "Nicht die sexuelle Belästigung wird als Problem wahrgenommen, sondern die Person, die sich dagegen wehrt."

Das Gleichbehandlungsgesetz als solches sei als Schutzschild eigentlich gut, meint Rechtsanwalt Ganzger, in der Realität stoße es aber an Grenzen. Etwa wenn es um kleine Betriebe gehe. Vor allem am Land, wo Arbeitsplätze oft rar sind. "Was macht eine Friseurin, die von ihrem Chef sexuell belästigt wird?" Innerbetriebliche Lösungen kämen in solchen Fällen kaum in Frage. Als Option bleibt oft nur, zu kündigen und zu klagen. Der Job ist dann weg. Was bleibt, sind maximal ein paar tausend Euro. Ein Schadenersatz, der seinen Namen eigentlich nicht verdient. Viele Experten fordern deswegen eine höhere Entschädigung.

60 Prozent Opfer sexueller Belästigung

Ganz generell stellt Ganzger Österreichs Unternehmen ein gutes Zeugnis aus, vor allem den größeren: "Da ist die Bewusstseinsbildung schon recht gut, es wird nicht mehr als Kavaliersdelikt gesehen." Sexuelle Belästigung ist weder ein Kavaliersdelikt, noch hat sie Seltenheitswert. Das beweist eine Studie aus Deutschland. Knapp 60 Prozent der Frauen wurden demnach in irgendeiner Form bereits Opfer sexueller Belästigung. Gerade im Kontext von Arbeit und Ausbildung treten diese Delikte häufig auf, wie die repräsentative Umfrage zeigt. In diesem Rahmen haben bereits 22 Prozent aller befragten Frauen Situationen sexueller Belästigung erlebt.

Ein typischer Satz, mit dem solche Delikte bagatellisiert werden, lautet: "Die muss sich halt behaupten." Etwa wenn Mädchen in nichttraditionellen Berufen Fuß fassen wollen, zum Beispiel als Mechanikerin, und dann ein Umfeld vorfinden, wo überall Poster mit nackten Frauen hängen. "Hier meint der Gesetzgeber, dass sich die Unternehmenskultur ändern muss", sagt Konstatzky.

"Arbeitsplatz" sehr weit definiert

Der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist nicht örtlich beschränkt - zum Beispiel auf Vergehen, die im Büro angesiedelt sind. Alles, was mit Arbeit und Ausbildung im weitesten Sinne zu tun hat, fällt darunter. Auch Firmenklausuren, Mail-Verkehr in der Freizeit und Betriebsfeiern. Gerade die sind ein "Knackpunkt", warnt Rechtsanwalt Ganzger, "hier passiert häufig was".

Parallel zur arbeitsrechtlichen Dimension gibt es noch die strafrechtliche Komponente. Die wird allerdings erst relevant, wenn es zu massiven körperlichen Übergriffen kommt. Sprich: Es müssen geschlechtsbezogene Handlungen sein, bei denen direkt die primären oder sekundären Geschlechtsteile berührt werden. Das in den letzten Wochen oft diskutierte Po-Grapschen ist kein Delikt im Strafrecht. (Oliver Mark, derStandard.at, 21.2.2013)