Ein Raum, ein Tisch, ein toller Abend: Das Engel in der Großen Pfarrgasse ist ein Lokal, wie man es sich als Nachbar wünscht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Una Abraham und Carsten Philippi kennen sich gut und mögen sich sehr. Vier gemeinsam verarbeitete Jahre im Ur-Una beim Architekturzentrum im MQ zeitigen eben Konsequenzen. Dass die beiden – sie via New York aus dem Südburgenland gebürtig, er aus Franken – über die Jahre getrennte Wege gingen und Abraham ihr inzwischen zur China Bar mutiertes Zweit-Una in der Burggasse machte, während Philippi die Bar des Café Engländer zur bestbetreuten Theke der Stadt aufpolierte, hat daran nichts geändert. Im Gegenteil: Die Lust, noch einmal gemeinsam tätig zu werden, wuchs.

Seit vergangener Woche hält nun das Engel in der Großen Pfarrgasse (vis-à-vis der Schönen Perle und neben dem Vincent) geöffnet. Man darf sich nicht wundern, dass der Raum außerordentlich schön geworden ist: Una Abrahams Lokale haben die Umwelt seit je nicht nur atmosphärisch, sondern in hohem Maß auch ästhetisch verbessert.

In diesem Fall etwa mit einer zauberhaften Marmor-Holz-Messing-Bar, die früher einer Apotheke in Bad Gastein als Budel diente; mit einem Epoxyharz-Boden, dem eine Schicht Blattgoldkonfetti entsprechend nachhaltigen Schimmer verleiht; mit einem Luster aus kunstvoll gespannter Seide, der wie eine zarte Aureole über der Szenerie schwebt; schließlich mit mächtigen zwei Tischen, die zu einer Tafel zusammengefügt sind, damit die lieben Gäste sich auch ja entsprechend näherkommen.

Krasse Tiefstapelei

Die Küche ist über eine Durchreiche mit dem Gastzimmer verbunden. Meistens, nicht immer wird dahinter Una Abraham zugange sein: Weil sie sich vorgenommen hat, in Zukunft "nur noch zwölf statt wie bisher 14 Stunden täglich" zu arbeiten, ist das Engel als Bar konzipiert, "in der es halt auch etwas zu essen gibt". Das ist natürlich krasse Tiefstapelei. Allerdings ist die Mehrzahl der Speisen so ausgelegt, dass sie auch im Fall von Abrahams Abwesenheit in unverwechselbarer Qualität auf die Teller kommen.

Diverse kalte Vorspeisen etwa, bei denen die geschmackliche Arbeit vorab investiert wurde: cremige Kaninchen-Rillettes mit Sauce Cumberland aus selbstgeernteten Ribiseln; Wildschweinspeck, Rehwürstel und Hirschschinken von südburgenländischen Produzenten mit außerordentlich erfrischenden, selbsteingelegten Essiggurken; aber auch hoch elaborierte Köstlichkeiten wie mit Paprika eingemachter Bacalao, ein fein balanciertes Tartare vom geräucherten Seesaibling oder mit allerhand Gewürzen in Kernöl confierter Kürbis.

Kosmopolitisch geschulter Geist

Auch bei den warmen Speisen ist die Nähe zum Südburgenland gegenwärtig – wenn auch stets so, dass man den kosmopolitisch geschulten Geist dahinter spürt. Bei der safranisierten Karfiolsuppe etwa, die eine Einlage aus Heidensterz mit Grammeln in Form einer salzigen Kuchenschnitte verpasst bekommt.

Oder beim geschmorten Braten vom Jennersdorfer Lamm, der mit Erdäpfelwurst (nicht anders als fantastisch!) und knackigstem Spinatsalat serviert wird, der durch die Kombination mit Fenchel und Grapefruit spätwinterliche Frische eingehaucht bekommt.

Die Weinkarte mit wenigen, wohlausgesuchten Flaschen spricht auch so eine kosmopolitisch burgenländische Sprache – nämlich jene des Jennersdorfer Vinothekars und Greißlers Josef Csuk, der als Lieferant gewonnen wurde. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 22.2.2013)