Verkörpert im blauen Overall alle vier Porträtierten, darunter Alain Platel, Jonathan Burrows und Xavier Le Roy: Christine De Smedt in " Untitled 4". 

Foto: Chris Van der Burght

Wien - "Es gibt keine guten Diamanten", sagt die ungarisch-deutsche Choreografin Eszter Salamon. "Und niemand sollte irgendjemandem Diamanten schenken." Diese deutliche Ansage ist in der vierteiligen Künstlerporträtreihe Untitled 4 zu hören, die Christine De Smedt, geboren 1963 in Belgien und ebenfalls Choreografin, am Wochenende im Tanzquartier Wien gezeigt hat.

In dieser Arbeit tritt De Smedt auch als Alain Platel, Jonathan Burrows und Xavier Le Roy auf, die mit Salamon zu den jeweils auf ihre Art radikalsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Tanzes gehören. In Wien wurden ihre Stücke nicht nur im Tanzquartier, sondern auch bei Impulstanz und den Festwochen gezeigt.

Platel gehört zu den Initiatoren der einflussreichen belgischen Tanzszene. Le Roy hat in den Neunzigern die konzeptuelle Choreografie mitgegründet. Der einstige Ballerino Burrows gab diesem Konzeptualismus eine ganz eigene, humorvolle Wendung. Und Salamon führt ihn aus seiner Selbstreferenzialität heraus.

Hohes Risikopotenzial

Christine De Smedt selbst hat sich im Tanz der vergangenen zwanzig Jahre kaum je in den Vordergrund gespielt. Seit 1991 ist die Kriminologin Mitglied von Platels Kollektiv Les Ballets C de la B, sie war maßgeblich an wichtigen Projekten von Meg Stuart beteiligt und hat unter vielen anderen mit Le Roy und Salamon kooperiert. In Wien war 2002 ihre Untersuchung der Choreografie von Großgruppen 9x9 zu sehen.

Projekte, in denen Künstler ihre Kollegen porträtieren, sind so selten, weil sie ein hohes Risikopotenzial enthalten. De Smedt durfte weder in die Hommage-Falle tappen noch in theoretische Analyse ausufern. Sie musste den Verdacht fernhalten, sich über die Porträtierten zu stellen oder sie für eigene künstlerische Zwecke zu entführen. Ebenso kam eine rein dokumentarische Vorgangsweise nicht in Betracht, denn die ist eher eine Sache der Medien.

Doch gerade im Umgang mit dieser empfindlichen Materie zeigt sich De Smedts empathische Stärke. In allen Porträts von Untitled 4 verkörpert sie selbst, immer in denselben blauen Overall gekleidet, die dargestellte Person. Aber nur ganz selten in Nachahmung ihrer persönlichen Präsenz, sondern in darüber hinausgehenden Dimensionen: Verkörpert werden vor allem das Denken, das Arbeiten und die künstlerischen Haltungen von Salamon, Platel, Burrows und Le Roy - auf Grundlage von Interviews und genauer Kenntnis ihrer Werke.

So erhielt jedes Porträt seine eigene Form. Wer Platel verstehen will, kommt um De Smedts Darstellung seiner Abgeklärtheit nicht herum. Wer in die komplexe Welt des Jonathan Burrows schauen möchte: Hier öffnet sie sich. So wie Salamons politisches Denken und wie Le Roys künstlerische Konsequenz. Fazit: ein wirklich gelungenes Projekt. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 25.2.2013)