Gekaufte Lust in Petra Kraxners Kammerspiel.

Foto: Georg Soulek

Wien - Ein geschlechtsloses Wesen steigt aus dem Wandschrank eines Discount-Hotelzimmers. Vielleicht ein Engel: schwarz gekleidet, bleich und kahlköpfig. Emissär G. Sichte (Sven Dolinski) ist die höhere Instanz im Kammerspiel der 1982 geborenen österreichischen Autorin Petra Maria Kraxner, das den schönen Titel Die gesetzliche Verordnung zur Veredelung des Diesseits trägt.

Kraxner gehört zu den jungen Autoren, die nun die Burg erobern; 2008 nahm sie an den Werkstatttagen teil. Um irdische Belange wie Bausparvertrag, wärmesanierte Eigentumswohnung oder faire Kredite zu regeln, bedarf es also übernatürlicher Hilfe. Das Changieren zwischen Welten gerät bei der Uraufführung im Burgtheater-Vestibül zu einer halbwegs gelungenen Annäherung an die Themen Arbeitslosigkeit bei Jungakademikern, Unbehaustheit und Verbesserung der Welt durch Leserbrief-Engagement. Im Zimmer einer Hotelkette (Bühnenbild: Marie-Luce Theis) überspielt Ophelia, dargestellt von der ausdrucksstarken Jana Horst, ihre Nervosität mit einem Handstaubsauger.

Die studierte Politik- und Sozialwissenschafterin ohne Arbeit leistet sich eine Nacht mit einem Callboy. An diesem Abend kommt Gabriel (durchtrainiert und spielfreudig: Daniel Jesch). Doch die gekaufte Lust entpuppt sich als Dauerfasler, der seine Kundin verschreckt. Die Stimmung ist hin. Er geht duschen und fällt beim Anblick des Engelwesens in Ohnmacht. Noch öfter wird er das Bewusstsein verlieren, was aus Zuschauersicht bald einfallslos wirkt. Hier hätte die sich treu an den Text haltende Regisseurin Caroline Welzl (geb. 1981) das nur 75 Minuten lange Stück straffen können. Dennoch fehlt es dem sensiblen Spiel weder an feiner Komik noch an Ernsthaftigkeit, die ohne zwanghafte Ironie auskommt.

Wie zufällig lernen sich zwei Menschen kennen, die das Normale (darunter versteht Kraxner Smartphone, eigene Wohnung, Kinderkriegen) wollen, aber keinen geeigneten Weg finden. Prekariat und das furchtbare Wort Überqualifikation sind die Themen der neuen Theatergeneration - hier hätte die Bearbeitung tiefschürfender ausfallen können. (Sebastian Gilli, DER STANDARD, 5.3.2013)