Janine Wulz mit dem Vorsitzteam der ÖH beim täglichen "Einmaleins des politischen Arbeitens" in der Taubstummengasse.

Foto: STANDARD/Fischer
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Wien - Wir befinden uns dort, wo alle Fäden der Studentenvertretung zusammenlaufen: im Büro der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Sie ist das höchste Gremium, das mit den ÖH-Wahlen Mitte Mai neu besetzt wird.

9 Uhr: Vorbereitung für eine Pressekonferenz zu Gender Budgeting in der ÖH um 10 Uhr

Das oberste Stockwerk des ehemaligen Postgebäudes wird vom Wissenschaftsministerium für die ÖH gemietet. Von hier aus koordiniert die Bundesvertretung die ÖH-Politik gemeinsam mit den Hochschulvertretungen, aber mehr noch als das. Denn öfter als sie die Kollegen von den Unis trifft, verhandelt die Bundes-ÖH mit Wissenschaftsministerium oder Hochschulkonferenz.

12.30 Uhr: Jour fixe Wissenschaftsministerium

Auch heute steht das wöchentliche Treffen im Ministerium auf dem Programm. Mit Bussi, Bussi begrüßt Janine Wulz vom ÖH-Vorsitzteam die Mitarbeiterin von Karlheinz Töchterle. Komplimente betreffend die Garderobe werden ausgetauscht, fünf Minuten später sind inhaltliche Diskussionen voll im Gange. "Wenn das so ist, können wir nicht mitgehen" , sagt Wulz immer wieder. Es geht um Platzbeschränkungen. Es geht um gemeinsame Auftritte. Die Verordnung zur ÖH-Wahl.

Es geht letztlich darum, sich Gehör zu verschaffen bei einem ungleichen Visavis. Die Ministeriumsmitarbeiterin hat schon mit Wulz' Vorgängern verhandelt und wird auch mit ihren Nachfolgern am Tisch sitzen. "Das Einzige, was wir tun können, ist uns besser vorzubereiten und zu vernetzen als unser Gegenüber", sagt Wulz.

14 Uhr: Mittagessen - heute gibt es Spaghetti mit Gemüse-Pesto, der Referent für Bildungspolitik hat gekocht, auch die Vorsitzenden haben Gemüse geschnitten.

Dass eine ÖH-Vorsitzende länger als eine Periode an der Spitze bleibt, kommt nicht vor, alleine schon aus finanziellen Gründen. Unbezahlte Arbeit ist ein Problem, das die ÖH immer mehr auch intern zum Thema macht.

Prekäres Ehrenamt

Denn während die Studierendenlobby nach außen gegen unbezahlte Praktika und prekäre Beschäftigung wettert, macht sich die ÖH genau das auch selbst zunutze: Von den 90 Beschäftigten arbeiten 70 ehrenamtlich und bekommen dafür Aufwandsentschädigungen von maximal 450 Euro im Monat. Die Fürsprecher des Ehrenamts befürchten, dass das persönliche Engagement mit zunehmendem Gehalt schwinden könnte. Erst wenn sich die ÖH intern geeinigt hat, kann sie sich im Ministerium für Gesetzesänderungen für eine faire Bezahlung einsetzen.

15 Uhr: Mails, Büroarbeiten

Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern hätte sich Wulz den ÖH-Vorsitz nicht leisten können. Denn neben dem Politjob, der 40 bis 60 Stunden pro Woche in Anspruch nimmt, lässt sich profanes Geldverdienen nicht unterbringen. Dass die ÖH trotzdem zu einer der schlagfertigsten Studentenvertretungen zählt, ist beachtlich.

17 Uhr: Interne Präsentation von Forum Hochschule II

Was die Bundes-ÖH interessanter macht als andere politische Apparate, ist das Mäandern zwischen Funktionärs- und revolutionärem Denken. Auch in der Biografie von Wulz schlägt sich das nieder: Politisch sozialisiert wurde die gebürtige Kärntnerin in der Antifaschismus-Bewegung. Die Institution "ÖH-Vorsitz" sah sie damals kritisch. Dass sie zur "anderen" Seite gefunden ist, hat mit "Zufall" zu tun.

18 Uhr: Wöchentliches Treffen aller Referate der ÖH. Aktuelle Fragen zur Bildungspolitik, Gleichberechtigung oder die Situation für ausländische Studierende werden diskutiert.

Heute ist Wulz froh, in der ÖH das "Einmaleins des politischen Arbeitens" gelernt zu haben. Ein Foto des grünen Politikers Dieter Schrage, der 2011 gestorben ist, hängt über ihrem Schreibtisch. Die Balance, mit der er Ämter bekleidet und diese gleichzeitig hinterfragt hat, fasziniert Wulz.

Gegen 23 Uhr wird der Arbeitstag der 27-Jährigen als Spitzenpolitikerin heute zu Ende gehen. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 7.3.2013)