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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will bei der Arbeitszeitverteilung ansetzen.

Foto: apa/Jens Schierenbeck

Die Forderung einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung geisterte Anfang Februar durch deutsche Medien. Allerdings nicht in Form von vorübergehender Kurzarbeit, wie sie da und dort seit 2008 als Reaktion auf die Wirtschaftskrise diskutiert und auch umgesetzt wurde, sondern als generelle Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden, und zwar bei vollem Lohnausgleich.

Mit einem offenen Brief wandten sich WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und AktivistInnen als "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" an die Öffentlichkeit. Ihr Anliegen: dem "Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit höchste wirtschaftliche und politische, soziale und humanitäre Priorität" einzuräumen. Denn das Überangebot am Arbeitsmarkt drücke das Lohnniveau, eine Verkürzung der Arbeitszeit wäre eine sinnvolle Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit und die steigende Belastung der ArbeitnehmerInnen.   

Unter den UnterzeichnerInnen des Briefes befinden sich etwa die Journalistin und Frauenrechtlerin Gisela Notz und der Sozialphilosoph Oskar Negt, aber auch die Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke). Es sei mehr der Versuch, eine Diskussion anzustoßen, denn eine Forderung, heißt es von der Arbeitsgruppe.

Trend geht in Richtung mehr arbeiten

Angesichts des herrschenden wirtschaftspolitischen Trends scheint diese niedrige Erwartungshaltung nur logisch. Zwar schenken die Medien mit zahlreichen Berichten über Burn-out, stressbedingte Erkrankungen und die zunehmend geforderte Verfügbarkeit (nicht zuletzt durch soziale Medien) der gegenteiligen Entwicklung seit einiger Zeit viel Aufmerksamkeit. Dabei wird allerdings in erster Linie der individuelle Handlungsspielraum thematisiert, während wenig bis gar nicht nach politischen Maßnahmen gefragt wird. 

Die durchschnittliche Arbeitszeit in Österreich liegt bei 42,5 Stunden pro Woche, pro Jahr werden 300 Millionen Überstunden geleistet. Für Birgit Schatz, ArbeitnehmerInnen-Sprecherin der Grünen,  gibt es deshalb im Bereich der Mehrarbeit einiges zu tun. Auch kritisiert sie den Trend zu "All in"-Verträgen, bei denen eine Überstundenpauschale ausgezahlt wird. "Diese Verträge wurden eigentlich für die Management-Etagen eingeführt, jetzt sickern sie allerdings immer weiter nach unten", so Schatz, die diese Vereinbarungen verbieten möchte. Letztlich mache es für alle - auch für ManagerInnen - keinen Sinn, ständig an die 60 Stunden pro Woche zu arbeiten, "mir kann auch keiner erzählen, dass man da immer produktiv ist".

Gefahren einer Arbeitszeitverkürzung

Der deutschen Initiative kann Schatz einiges abgewinnen: "Auch meine Prämisse lautet Arbeitszeit verkürzen." Allerdings nur auf 35 Stunden, eine Verkürzung von 40 auf 30 Stunden findet die Grünen-Politikerin zu viel: Bei einer Reduktion auf 30 Stunden würde für Unternehmen ein Lohnkostenanstieg von 25 Prozent anstehen. Ohne staatliches Gegensteuern, zum Beispiel durch Steuerentlastungen für Unternehmen über einen bestimmten Zeitraum hinweg, wäre das für die Unternehmen nicht zu meistern, so Schatz.

Der Staat könne hingegen durch eine Arbeitszeitverkürzung Kosten sparen, zum einen durch sinkende Arbeitslosenzahlen und zum anderen durch Einsparungen im Gesundheitsbereich, weil sich die Folgekosten von Erkrankungen aufgrund von Stress und Überlastung reduzieren würden. Ein weiteres Problem an Arbeitszeitverkürzung an sich sieht Schatz in einer Arbeitszeitverdichtung, wenn die Arbeitszeitverkürzung stufenweise erfolgt. Die Arbeit, die zuvor in 40 Stunden erledigt wurde, könnte also mehr und mehr eine Anforderung für eine 30-Stunden- oder auch 35-Stunden-Woche werden.

Schatz sieht vor allem Schwierigkeiten in der hiesigen Arbeitslandschaft: "Es ist noch immer sehr angesehen, wenn jemand sehr viel arbeitet." Neben einer 35-Stunden-Woche fordert sie auch eine Reduktion der gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeit.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl lässt hingegen kein gutes Haar an dem Ansatz Arbeitszeitverkürzung. Solche "Unsinnigkeiten" könnten dazu führen, dass China keine 17 Jahre braucht, um "uns zu überholen", ließ Leitl in einer Aussendung ausrichten.

Bessere Arbeitszeitverteilung

Wie die Grünen möchte auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bei den derzeit geleisteten Überstunden ansetzen und eine bessere Arbeitszeitverteilung anstreben. Die derzeit 300 Millionen Überstunden pro Jahr werden in Österreich mehrheitlich von Männern geleistet, während fast jede zweite Frau in Teilzeit arbeitet. Die Folge: niedrigere Einkommen und niedrigere Pensionen. Es sollte daher ein erster Schritt sein, "eine Balance hineinzubringen", heißt es aus dem Frauenministerium. Weniger Überstunden von Männern und mehr Frauen in Vollzeit hätte außerdem "positive Auswirkungen auf die Verteilung der unbezahlten Arbeit bei Haushalt, Erziehung, Pflege etc. - von der wir wissen, dass sie zu zwei Dritteln von Frauen erledigt wird". Dieses "Austarieren der Realarbeitszeit" geht für die Frauenministerin vor einer Arbeitszeitverkürzung.

Nachgefragt bei den ÖVP-Frauen, ob eine bessere Verteilung der Familienarbeit durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich erreicht werden könnte, winkt Nationalratsabgeordnete und ÖVP-Frauen-Chefin Dorothea Schittenhelm ab. "Um Familie und Beruf zu vereinbaren, braucht es einen lückenlosen Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen." Für Frauen, die Teilzeit arbeiten, fordert die ÖVP eine Realisierung der Pensionsanrechnung für jedes Kind. Und auch die Großeltern sollten durch einen Ausbau der Pflegefreistellung bei der Kinderbetreuung ins Boot geholt werden.

Auch Schittenhelm sieht wie Leitl in einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich vor allem einen Wettbewerbsnachteil, es sei denn, "es gibt eine EU-weite einheitliche Regelung". (beaha, dieStandard.at, 7.3.2013)