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Diss und Tschüss - oder Tschüss ohne Diss?

Foto: Armin Weigel/dpa

Diss und Tschüss

Eine Prädoc-Anstellung als UniversitätsassistentIn ist für wissenschaftliche ArbeitnehmerInnen gedacht, die nach Abschluss eines Master-Studiums das Ziel verfolgen, im Zuge eines Anstellungsverhältnisses an der Universität zu forschen und dabei eine Dissertation zu verfassen. Es ist damit gleichzeitg auch eine Ausbildungsstelle auf hohem Niveau, befristet auf meist vier Jahre. Das Resultat sollen bestenfalls qualifizierte WissenschaftlerInnen, zumindest aber fertige DoktorInnen sein.

Teilzeit-Diss

Ein ideales Anstellungsverhältnis von 100 Prozent stellt sich dabei oftmals als Utopie heraus: Bestimmte österreichische Universitäten ziehen es vor, ihre NachwuchswissenschaftlerInnen an kurzer Leine zu halten. 30 Stunden Teilzeitbeschäftigung pro Woche werden ihnen abverlangt. Dazu gibt es ein auf dem ersten Blick verlockendes Zuckerl: 20 Stunden pro Woche arbeiten sie für "ihr" Institut und 10 Stunden pro Woche sind für die Erbringung selbständiger wissenschaftlicher Leistung eingeplant. Übersetzt heißt das, dass 10 Stunden für die Diss zur Verfügung stehen. Ein schönes Leben so eine befristete Teilzeitbeschäftigung als junge WissenschaftlerIn, in der man auch noch seine Diss finanziert bekommt, oder etwa nicht?

Oder Tschüss ohne Diss

Wenn man während des Studiums trainiert hat, sparsam zu leben und seine Zeit zielgerichtet zu managen, dann führt die Deadline von üblicherweise vier Jahren als Prädoc nicht zum möglichen "Todesurteil" für die Diss. Denn Prädoc-Stellen sind befristete Arbeitsverhältnisse. Die Stelle bleibt, der wissenschaftliche Nachwuchs kommt und geht – Fluktuationsstelle PraeDoc. Wer es nicht schafft, in der befristeten Zeit die Diss fertigzustellen und im Zuge dessen das Doktoratsstudium abzuschließen, geht vorerst mit leeren Händen (Wem es dann noch gelingt, kann die Diss auch ohne Anstellung an der Uni fertigstellen).

Das "Kettenvertragsverbot" ist das neue Buzzword in den universitären Personalabteilungen. Da befristete Arbeitsverhältnisse laut österreichischer und EU-Kettenvertragsregelung nicht aneinander geknüpft werden dürfen, ist es nach einem bestimmten Zeitraum vorbei mit dem Arbeiten an derselben Universität. Das Kettenvertragsverbot ist sowohl eine EU-Richtlinie als auch langjähriger Inhalt der österreichischen Arbeitsgesetze. Ironischer Weise wird das Kettenvertragsverbot als Störfaktor wahrgenommen, obwohl es eigentlich einen Schutz für ArbeitnehmerInnen darstellt (keine Umgehung von Verträgen, keine Gängelung mit immer wieder prekären befristeten Verträgen im Sinne einer besseren Lebensplanbarkeit).

Da heißt es: Fristgerecht fertig werden mit der Diss und Tschüss, wenn nicht sogar "Auf Nimmer Wiedersehen", denn anschließend hat man zwar eine spezielle, teure und gute Ausbildung genossen aber keinerlei Perspektive, zumindest weiterhin oder gar unbefristet an der Universität arbeiten bzw. forschen zu dürfen. Man bekommt quasi ein Hausverbot, ohne gegen die Hausordnung verstoßen zu haben.

Mogelpraxis

So die Theorie. Wie sieht es oftmals in der Praxis aus: Aussagen der "Fachvorgesetzten" wie "Ich habe mir meine Leute fachlich aufgebaut, jetzt soll ich sie wieder weg schicken?!" und "Wir bringen Sie schon irgendwo unter" sind nicht untypisch. Nicht ausgeschlossen sind unvorteilhafte Zwischenlösungen für den "wissenschaftlichen Nachwuchs": Vier Monate Halbzeitbeschäftigung da, Projektanträge schreiben in der Arbeitslosen, zwei bis drei Lehrverträge dort, bis eine gewisse Frist vorüber ist und das Kettenvertragsverbot laut Arbeitsgesetz nicht mehr greift.

Point of No Return

Doch sieht so ein Rahmen für eine zufriedenstellende Karriereplanung der österreichischen Universitäten für ihren Nachwuchs aus? Die Motivation dahinter lässt sich erahnen: Bevor eine unbefristete Anstellung überhaupt erst nur angedacht wird, sollte die WissenschaftlerIn zumindest eine Zeit lang "in einen anderen Suppentopf" geschaut haben. Ob so eine Zwangsbeglückung in jeden Lebenslauf zum verordenten Zeitpunkt auch hinein passt, sei dahingestellt. Eine individuelle Karriereplanung mit einer großen Portion Ellbogentechnik ist überlebensnotwendig, denn nahtlose Karrieremodelle von Universitäten für Prädocs gibt es keine, egal wie hervorragend deren Leistung ist.

Gut unterstützt werden UniversitätsassistentInnen mit Karriere-bezogenen Programmen, die von einigen Universitäten angeboten werden: Hierbei gilt es, die Grenzen und Möglichkeiten innerhalb der Universitäten als Arbeitgeber des wissenschaftlichen Nachwuchs aufzuzeigen. Doch einmal weggegangen sind sowohl eine Rückkehr der nun sich entwickelten flexiblen Wissenschaftlerin als auch die Verfügbarkeit einer unbefristeten Stelle sehr unwahrscheinlich.

Karriereschönsprech

Abverlangt wird (unter anderen) Flexibilität, ein hoher Grad an Selbstmotivation, schnelle Lernfähigkeit, innovatives Denken, die Fähigkeit des Lehrens, Eigenständigkeit, Mobilität, Mitwirkung in der Organisation, Loyalität, und nicht zuletzt ein hohes Ausmaß an Kreativität, dass notwendig wird, um eigene Karrieremodelle zu schmieden. Eigentlich alles positiv besetzte Begriffe. Oder doch nur Zweckeuphemismen? Es gäbe da das Modell des „University Hopper": Eine WissenschaftlerIn, die sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten befristeten Vertrag durchbringt (auf verschiedenen Universitäten, in wissenschaftlichen Projekten etc.) bis – vielleicht, irgendwann, oder auch nicht – eine dauerhafte Anstellung erreicht wird. Oder das anspruchsvolle Karrieremodell des „Strategic Researcher": Eine WissenschaftlerIn, die sich allen möglichen Herausforderungen stellt und wie eine gewiefte Schachspielerin ihre weiteren Schritte strategisch setzt. Als alternativer Weg zu einer Karriere in der Wissenschaft ist die Zuflucht in die Privatwirtschaft im Hinterkopf verankert: Wie lange habe ich noch Zeit für diesen Schritt?

Fluktuationsstelle Prädoc

Das alles ist handhabbar, solange man weiß, worauf man sich bei einer Prädoc-Anstellung einlässt. Rahmenbedingungen der Fluktuationsstelle Prädoc müssen den Betroffenen bewusst gemacht werden. Vor allem bedarf es einer Sensibilisierung der Personen, die eine Prädoc-Stelle annehmen, aber ebenso ihrer Vorgesetzten hinsichtlich der Ziele, die eine Universität anhand von Prädoc-Stellen verfolgt, Grenzen und Möglichkeiten der Prädocs unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Aufgaben und Pflichten der Vorgesetzten sind zu kommunizieren.

Konkret heißt das zum Beispiel, dass Prädocs ihre Diss jedenfalls innerhalb des befristeten Vertrags fertigstellen sollten, da Ausschreibungen für weiterführende wissenschaftliche Stellen bzw. bestimmte Projektausschreibungen bereits WissenschaftlerInnen mit abgeschlossenen Doktoratsstudium voraussetzen. Klingt eigentlich selbstverständlich. Die Aufgabe der Vorgesetzten ist die Förderung und Unterstützung der auszubildenden Prädocs und deren Integration in die Arbeitsprozesse und Netzwerke.

Universitäten haben mögliche Auswirkungen im Blickfeld zu bewahren, wie z.B. ein mögliches Senken der PostDoc-Stellen, die durch doppelt so viele Prädoc-Stellen ersetzt werden könnten, oder das steigende Ausmaß an Lehre, die (als Bestandteil des Vertrages) von Prädocs durchgeführt wird.

Neu planen

Die gegenwärtige Situation der NachwuchswissenschaftlerInnen bzw. JungforscherInnen an den (meisten) österreichischen Universitäten hat nachhaltiger Personalstrukturplanung nichts zu tun. Personalstrukturpläne sind für Universitäten aber unerlässlich. Und lassen auf sich warten. Und: Zehn Jahre UG 2002, es wird Zeit umzudenken und von den alten Bahnen loszulassen, die einen vielleicht selbst geprägt haben. Auf Irrwegen zu beharren, führt nicht ans Ziel. (Friedrich Schipper und das Blog-Team, derStandard.at, 12.3.2013)