Wien - Jede fünfte Überstunde in Österreich ist unbezahlt, Frauen leisten häufiger als Männer Mehrarbeit, die nicht abgegolten wird. 300 Millionen Überstunden leisten österreichische Arbeitnehmer jährlich. Zahlen und Fakten, die bekannt sind. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek greift einmal mehr auf eine Idee des ÖGB zurück. Demnach sollen Unternehmen pro geleisteter Überstunde einen Euro an den Staat abführen - jeweils zur Hälfte an Arbeitslosen- und Krankenversicherung  - lautete eine ÖGB-Idee. Heinisch-Hosek könnte sich nun laut einem Bericht des Kurier vorstellen, den vom ÖGB geforderten Euro als "Gesundheitseuro" zu verwenden. Aus Umfragen sei bekannt, dass drei Viertel der Männer, die Überstunden leisteten, gerne ihre Arbeitszeit reduzieren würden, um mehr Zeit für die Familie zu haben.

Heinisch-Hosek: "Es kämen durch den Gesundheitseuro pro Jahr etwa 150 bis 200 Millionen Euro herein. Diese Mittel könnten wir einerseits für aktive Arbeitsmarktpolitik verwenden und andererseits den Unternehmen zurückgeben, indem Gesundheitsvorsorge-Programme in den Betrieben ausgebaut werden", sagte die Ministerin. Für All-in-Verträge wären nach dem Modell 20 Euro pro Monat fällig. Die Abgabe hätte laut Heinisch-Hosek überdies den Effekt, dass weniger Überstunden geleistet würden, was sich in einem Plus an Arbeitsplätzen niederschlagen würde. Weiterer Effekt: Könnten Männer ihre Arbeitszeit reduzieren, käme dies auch Teilzeit arbeitenden Frauen zugute, die ihre Dienstverhältnisse Richtung Vollzeit ausweiten könnten.

Weniger Überstunden

Auch für SPÖ-Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer ist das Senken der Überstunden ein Thema, über das seiner Ansicht nach die nächste Regierung ein Abkommen finden solle. Geht es nach Hundstorfer, sollen die Überstunden im Sinne eines Beschäftigungseffektes sinken.

"Was es sonst noch an Zeitguthaben und individuellen Regelungen in Betrieben gibt, wissen wir nicht genau." Es gehe darum, die Überstunden "wenigstens ein bisschen zu reduzieren und so zu versuchen, einen Beschäftigungseffekt zu erzielen". Schon 50 Millionen weniger Überstunden "wären ein Schritt". "Auch nur um zehn Millionen Stunden zu reduzieren, brächte schon etwas", sagte Hundstorfer.

Mehr Urlaub nur mit Kulturwandel

Auch eine sechste Urlaubswoche, wurde von Minister Rudolf Hundstorfer ins Gespräch gebracht. Eine solche könne nur dann mehr Beschäftigung bringen, wenn die Österreicher ihre Urlaubsgewohnheiten anpassen, sagte der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal jüngst der Austria Presseagentur. Solange Urlaub, wie in Österreich üblich, in kurzen Tranchen konsumiert und bis zu drei Jahre lang aufgeschoben wird, entstünden keine neuen Jobs, sondern nur mehr Kosten und allenfalls mehr Arbeitsdruck. Während man in Deutschland Urlaub nur mehr in Ausnahmefällen in das nächste Jahr verschieben dürfe, könne man in Österreich den Anspruch bis zu drei Jahre aufheben. Häufig würden letztlich Urlaube unter Umgehung des Gesetzes ausbezahlt, etwa über eine Sonderzahlung oder eine vorzeitige Vorrückung, im Zuge derer der nicht konsumierte Urlaub gestrichen wird.

Im österreichischen Gesetz steht, dass Urlaub in zwei Teilen konsumiert werden kann, von denen einer mindestens eine Woche betragen muss. Unter Experten habe es eine lange Diskussion gegeben, ob das "mindestens zwei" oder "genau zwei" Teile bedeutet, erinnert sich Mazal, in der Praxis haben sich aber beliebig viele Kurzurlaube durchgesetzt. Bei so kurzen Abwesenheiten gebe es aber für den Arbeitgeber keinen Druck, Leute einzustellen. Vielmehr führe das zu Arbeitsintensivierung. Erst wenn eine Urlaubsphase drei oder vier Wochen dauere, würden Neuanstellungen in Betracht gezogen werden.

Damit Arbeitnehmer den ganzen Urlaub im laufenden Jahr konsumieren und dabei einmal mehrere Wochen am Stück wegbleiben, sei ein Kulturwandel nötig: Firmen müssten aufhören, ihre Mitarbeiterzahl so niedrig wie möglich zu halten und Mitarbeiter müssten einerseits lernen, ihren Job zu teilen und andererseits auf die lukrativen Überstunden zu verzichten. Auch für Mazal sind die Überstunden ein Thema: Nach seiner Ansicht ließen sich die 300 Millionen Überstunden in fast 200.000 Jobs umrechnen. Wer mehr Arbeitsplätze wolle, müsse auch Überstunden abbauen. Das käme die Firmen sogar billiger und die Menschen hätten mehr Zeit zu regenerieren, aber auch das würde ein Umdenken im Betrieb erfordern.

Arbeitszeitverkürzung

Die durchschnittliche Arbeitszeit in Österreich liegt bei 42,5 Stunden pro Woche. Birgit Schatz, Arbeitnehmer-Sprecherin der Grünen könnte sich eine Verkürzung von 40 auf 35 Stunden vorstellen. Das mögliche Problem dabei sieht Schatz in einer Arbeitszeitverdichtung, wenn die Arbeitszeitverkürzung stufenweise erfolgt. Die Arbeit, die zuvor in 40 Stunden erledigt wurde, könnte mehr und mehr eine Anforderung für eine 30-Stunden- oder auch 35-Stunden-Woche werden.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hält hingegen von einer Arbeitszeitverkürzung nichts. Solche "Unsinnigkeiten" könnten dazu führen, dass China keine 17 Jahre braucht, um "uns zu überholen", so Leitl.

Arbeitsmarkt zukunftsfit

Der Arbeitsmarkt müsse "zukunftsfit" gemacht werden, findet indes Wifo-Chef Karl Aiginger. Er verweist auf den Facharbeitermangel, aber auch den Überhang an Unqualifizierten. So könnte man wie aus Spanien und Portugal auch aus Griechenland Facharbeiter holen und sie dann, zum Beispiel nach fünf Jahren, ausgestattet mit Know-how und einem kleinen Start-Kredit zurück in ihre Heimat lassen, allenfalls auch in Kooperations-Modellen mit einem österreichischen Partner als "Co". Damit wäre beiden Seiten geholfen.

Die Arbeitszeit in Österreich sollte stärker "austariert" werden, es gebe zwar 334.000 Menschen, die länger arbeiten wollten, aber 561.000, die ihre Arbeit um fünf bis zehn Stunden pro Woche verkürzen wollten. Deshalb sollte man "jedem, der das will, goldene Brücken bauen". Eine generelle Arbeitszeitverkürzung lehnt Aiginger aber ab. (red, derStandard.at, 2.4.2013)