Das Edvard gilt als die luxuriöse Option unter den Hotelrestaurants im neuen Kempinski am Wiener Schottenring.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Hochexklusiver "Schottischer Wildlachs", "als Jungtier wild gefangen, dann aber in einer Zucht aufgewachsen".

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Vergleich zum durchschnittlichen heimischen Kellner sind die Angestellten im Edelrestaurant des riesigen neuen Kempinski-Komplexes am Schottenring ordentlich auf Zack. Im Edvard schaut einem jeder in die Augen, das Glas Wein wird wie selbstverständlich bei Tisch eingeschenkt, selbst die Kultur grammatikalisch korrekten Satzbaus hat sich hier durchgesetzt.

Man kann das der vornehmlich bundesdeutschen Herkunft des Personals zuschreiben oder dem Drill in hausinternen Trainings. Umso verwunderlicher, dass trostlose Stehsätze ("War's in Ordnung?") auch hier unvermeidlich scheinen und Eigenlob der wenig charmanten Art ("Das macht unser Küchenchef ganz raffiniert") kein Riegel vorgeschoben wurde.

"Frische" Farbgestaltung

Die eigentliche Frage ist aber, warum sich Luxushotels in großen Städten nach wie vor verpflichtet fühlen, ihre Retorten-Restaurants so uninspiriert zu gestalten, wie sich nun auch das Edvard präsentiert. Wenn schon viel Geld in einen kalkuliert defizitären Flagship-Schuppen versenkt werden muss - warum dann nicht gleich etwas Ungewöhnliches, vielleicht gar Gewagtes machen, das für Gesprächsstoff sorgt und eventuell sogar Einheimische über die Schwelle zu locken vermag?

Im aktuellen Fall ist das unwahrscheinlich. Die "persönliche Note" wird hauptsächlich in "frischer" Farbgestaltung gesucht, was dazu führt, dass der Restaurantleiter in einem bedauernswert erbsensuppengrünen Anzug durch sein Reich stolzieren muss und auch die Sitzbank aussieht, als ob ganze Laubfroschkolonien für sie ihr Leder lassen mussten.

Austauschbares Resultat

Nicht ganz so frühlingshaft gibt sich die Karte, wo von "Tullnerfelder Schweinebauch" zur Vorspeise über "Nordischen Kabeljau" (mit warmem Gurkensaft extrem schonkostmäßig) bis zu Backerl und Filet vom "Wienerwaldrind" fast alles in Folie vakuumiert dem Niedrigtemperaturgarer überantwortet wird - mit Sicherheit jene Form der Zubereitung, die den Küchenchef von allzu großer Aufmerksamkeit entbindet, die gleichmäßige "Weichheit" des Garguts aber dennoch gewährleistet. Dementsprechend austauschbar ist das Resultat: routinierte Edelteil-Küche, wie man sie in Hotels der oberen Kategorie erwarten muss.

Was aber gar nicht geht, ist die Kreativität, mittels derer ein eh qualitätvoller, aber eindeutig aus Aquakultur stammender Fisch auf der Karte zum hochexklusiven "Schottischen Wildlachs" werden darf. Vor allem, wenn man auf Nachfrage mit der frech forschen Rechtfertigung abgespeist wird, dass es sich um Fisch handle, der "als Jungtier wild gefangen, dann aber in einer Zucht aufgewachsen" sei. Derlei hanebüchener Unsinn wirkt in einem Haus dieser Kategorie in höchstem Grade läppisch. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 5.4.2013)