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In Österreich werden jedes Jahr 300.000 Frauen Opfer gewalttätiger Partner.

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In Österreichs Familien werden monatlich mindestens zwei Morde verübt. Damit betreffen 70 Prozent der Mordfälle den Familienkreis. Im Jahr 2010 etwa gab es in Österreich 157 Tötungsdelikte, 111 davon wurden im familiären Umfeld begangen. Laut Bundeskriminalamtsleiter Franz Lang ereignen sich in Summe drei Viertel der Tötungsdelikte im sozialen Nahumfeld. Das schließt neben der Familie auch den näheren Bekannten- und Freundeskreis mit ein.

300.000 weibliche Opfer

Die Opfer sind vor allem Frauen und Kinder, die Täter vorwiegend Väter, Partner oder Ex-Partner. So waren im Jahr 2010 insgesamt 96 Prozent der Täter Männer, vier Prozent Frauen. Durchschnittlich werden in Österreich jedes Jahr 300.000 Frauen Opfer gewalttätiger Partner, berichtete die Wiener Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich im Rahmen der derzeit stattfindenden Österreichischen Ärztetage. Berzlanovich arbeitet seit 25 Jahren als Gerichtsmedizinerin mit den Spezialgebieten häusliche Gewalt und forensische Geriatrie.

"Fast zehnmal am Tag rückt in Wien die Polizei aus, um Frauen und Kinder vor ihren Ex-Partnern, Partnern oder Vätern zu schützen", so Berzlanovich. Österreichweit seien es 21 Fälle pro Tag.

Zwölf Prozent der Buben betroffen

"Von sexuellen Übergriffen waren im Jahr 2010 27,7 Prozent der Mädchen und zwölf Prozent der Buben betroffen", so die Medizinerin. Dabei sei häusliche Gewalt fast nie ein einmaliges Erlebnis, "sondern ein System an Misshandlungen, das auf Macht und Kontrolle abzielt". Den sprichwörtlich-verharmlosenden "Ausrutscher" der Täter gebe es nur sehr selten.

Das System der häuslichen Gewalt baut sich nicht von heute auf morgen auf. Vor allem Tötungsdelikte und schwere Delikte durch den Intimpartner geschehen nicht aus heiterem Himmel, sagt der deutsche Kriminalpsychologe Jens Hoffmann - "es gibt Warnzeichen". Wesentlich sei daher das frühe Zusammenspiel von Polizei, Gerichten, Strafjustiz und Opferschutzeinrichtungen. Außerdem sei entscheidend, dass Frauen früh Zugang zu Verhaltensberatung bekommen.

Leben mit der Gewalt

Denn viele Frauen leben lange mit der Gewalt - es dauert in Österreich im Durchschnitt drei bis vier Jahre, bis sich das Opfer vom gewalttätigen Partner lösen kann. 60 Prozent der weiblichen Gewaltopfer werden laut Berzlanovich mehrere Jahre lang misshandelt, 37 Prozent dabei regelmäßig geschlagen.

Die Gründe dafür, dass Frauen so lange in gewalttätigen Beziehungen bleiben, sind vor allem Scham, Angst und die Sorge vor negativen Folgen für sich selbst, den Täter oder die gemeinsamen Kinder. "Denn in 70 bis 90 Prozent sind in solchen Fällen auch die Kinder von der Gewalt betroffen", sagt Gerichtsmedizinerin Berzlanovich. (APA/red, derStandard.at, 28.5.2013)