Hall in Tirol/Wien - Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschränkt den Unfallversicherungsschutz während der Mittagspause. Wer diese ohne guten Grund zu weit von seinem Arbeitsplatz entfernt verbringt, läuft Gefahr, bei einem Unglück dieses nicht als Arbeitsunfall anerkannt zu bekommen.

Hintergrund der OGH-Entscheidung 10 Ob S169/12 war die Klage einer Tirolerin gegen die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die der Frau die Gewährung einer Versehrtenrente versagt hatte. Die Frau hatte im Juli 2011 ihre zweistündige Mittagspause auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Hall in Tirol verbracht. Dieser lag zwölf Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Auf dem Rückweg zur Arbeit verunglückte die Raumpflegerin, indem ihr bei der Auffahrt auf die B171 ein anderes Fahrzeug ins Heck prallte. Sie wurde dabei schwer verletzt.

Pause "durch Interesse des Zeitvertreibs geprägt"

Der OGH bestätigte die Vorinstanzen, die die Klage abgewiesen hatten, weil sich der Supermarkt weder in der Nähe des Betriebsstandorts noch in der Nähe des Wohnorts der Frau befand. Er lag auch nicht in der Nähe jener Objekte, in denen die Putzfrau am Tag des Unfalls Reinigungsarbeiten zu erbringen hatte. Die Frau betrat nicht einmal den angesteuerten Supermarkt, um sich zu essen und trinken zu kaufen. Sie verzehrte in ihrer Pause eine zuhause zubereitete Jause.

Für den OGH stand damit fest, dass die Fahrt zum Supermarkt "nicht mehr wesentlich durch die Notwendigkeit der Essenseinnahme bestimmt war", sondern "allein als durch das eigenwirtschaftliche Interesse des Zeitvertreibs in der Arbeitspause geprägt" anzusehen war. Der Versicherungsschutz in der Mittagspause umfasst für den OGH Wege zur Einnahme von Mahlzeiten und beruht "auf dem Gedanken, dass Essen und Trinken regelmäßig unaufschiebbare notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm so zu ermöglichen, seine betriebliche Tätigkeit fortzusetzen".

Spazierfahrt nicht geschützt

Dabei ist laut OGH den Versicherten eine gewisse "Bewegungsfreiheit" zuzugestehen. Im Allgemeinen muss der aufgesuchte Ort von der Arbeitsstätte zu Fuß in einer vertretbaren Zeit erreichbar sein. Wird aber ein weit entfernter Ort aufgesucht und ist dies nicht mehr wesentlich durch die Notwendigkeit der Essenseinnahme geprägt, sondern - wie im Fall der Putzfrau - als Spazierfahrt zum Zeitvertreib anzusehen, ist der Weg nicht mehr geschützt. (APA, 18.4.2013)